Hallo und herzlich Willkommen zum WINZER TALK.
Ich bin Daniel Bayer und das ist der Podcast zur Website wein-verstehen.de.
Daniel Bayer: Hallo liebe Zuhörer. Ich bin immer noch im Burgenland. Ich bin nun knapp 40 km in östlicher Richtung nach Frauenkirchen gefahren und freue mich wahnsinnig, dass ich heute Gast sein darf im Weingut Umathum.
Herr Umathum hat mich gerade etwas durch den Betrieb geführt und es ist der Wahnsinn, was dieser Mann alles weiß. Wie er die Welt sieht und wie er alle Prozesse, die ineinander greifen versteht. Aber wie er das macht und was alles dahinter steckt, das sagt er uns am Besten jetzt selbst. Ich würde sie deshalb bitten, sich kurz vorzustellen.
Josef Umathum: Ich bin der Josef Umathum. Ich hatte ursprünglich einen anderen Beruf gelernt, denn ich sollte das Weingut hier nicht weiter machen. Es ist ein Familienbetrieb, den meine Eltern gegründet hatten.
Es war früher eine gemischte Landwirtschaft, mit Viehwirtschaft, Getreide und etwas Wein. Eigentlich wollte ich Landschaftsarchitekt werden. Ich hatte Raumplanung studiert. Ich hatte mich dann später entschieden das Weingut doch umzukrempeln und hier weiter zu machen.
Ich gehöre noch zur Generation, die den Weinskandal miterlebt hatte. Das war in Österreich die große Zäsur. Damals dachte man:
„Die Zeiten können nicht mehr schlechter werden. Es kann nur noch Bergauf gehen.“
Damals gab es böse Leute, die Weine verfälscht hatten. Das war der absolute Bruch. Die Leute hatten das Vertrauen in das Produkt Wein verloren.
Wir waren eine Gruppe von vielleicht 50 Winzern aus Österreich. Wir sind durch die Welt gereist und hatten unsere Weine präsentiert und hatten so den Ruf des Österreichischen Weins wieder aufgebaut.
Das war ein hartes Stück Arbeit, aber man hat viele Freunde gewonnen. Es ist ein guter Zusammenhalt da, der bis heute besteht.
Man sieht, dass sich die Zeiten ändern und die Solidarität eine andere wird und andere Generationen ans Werk kommen. Ich gehöre aber noch dieser alten Generation an.
Was für uns wichtig ist:
„Der Boden ist das Wesentlichen in der Landwirtschaft.“
Wenn der Boden gesund ist, dann hat man gesunde Pflanzen darauf, die ausgeglichen wachsen. Man hat reife Früchte, die guten Geschmack bringen. Und dann ist es ganz einfach, das Produkt so zu verarbeiten, dass man es hinterher auch ins Glas bringt.
Daniel Bayer: Das sagen sie so einfach (lacht)
Josef Umathum: Ja. Man muss Geduld haben und sauber arbeiten, dann kriegt man das schon hin. (lacht)
Was mir auch wichtig ist: „Wenn man hier ins Weingut kommt, dann sieht man, dass unsere Gebäude nicht hypermodern sind, aber auch nicht total alt und verschroben. Wir hatten immer wieder etwas dazu gebaut, aber trotzdem versucht, dass es eine Einheit wird. Neubauten wurden so gemacht, dass es stimmig ist und dazu passt.“
Schon von der Zufahrt aus sieht man diese Giebel, die ganz typisch für das nördliche Burgenland und für den Raum hier sind. Das stellt so eine Art Scheune dar.
Die Dörfer waren früher immer so gebaut: „In der Mitte hatte man einen großen Anger, dann lange Streckhöfe und hinten raus, zu der leicht hügeligen Landschaft, waren Scheunen, die den Abschluss der Ortschaft gebildet hatten und so eine Art Stadtmauer dargestellt hatten.“
Nachdem wir hier das Weingut am Ortsrand haben, hatten wir gesagt: „Wir machen unser Gebäude auch so, dass man den Eindruck einer Scheune hat.“
Von den Baumaterialien hatte man Kalkstein verwendet und auch den Verputz so gemacht. Es gibt eine alte Technik, wo man den Putz aufträgt und dann mit dem Pinsel in alle Richtungen streicht. Dadurch hat der Verputz eine Struktur, die sehr lebendig ist und feine Schatten wirft.
Wenn man das sieht, weiß man: „Das ist ein Gebäude, das kann nur hier stehen. Das gehört hier zu dieser Landschaft dazu.“
Ich halte schon etwas von tollen Architekten und lasse mich inspirieren.
Aber was wichtig ist: „Ein Gebäude muss immer ein Teil der Landschaft sein und muss auch ausdrücken wo es herkommt.“ – Das ist auch mein Zugang zum Wein.
Wir haben hier an klaren Tagen den Blick zu den Ostalpen. Den Schneeberg kann man an klaren Tagen wunderschön sehen. Der ist zum Angreifen nahe und nur 80 km Luftlinie weit weg. Im Rücken haben wir das ungarische Tiefland und beide Seiten prägen das Klima.
- Auf der einen Seiten haben wir von den Alpen frische, kühle Luftströmungen.
- Auf der anderen Seite, vom ungarischen Tiefland, staut sich immer Sommer vor allem die Hitze und Wärme.
Wenn man das auf den Wein umlegt, dann heißt das:
- Die Kühle bedeutet in den Weinen: „Frische, Säure, Lebendigkeit und Aromatik“
- Die Hitze bedeutet: „Fülle, Kraft und Wärme“
Beides muss in einem Wein, der hier gewachsen ist, enthalten sein.
Vielleicht in einem Jahr, wo es etwas frischer ist, liegt der Schwerpunkt mehr der einen Seite. Und in einem Jahr, wo es wärmer und hitziger ist, auf der anderen Seite.
Ich glaube, man muss in diesen Produkten beides spüren.
Man muss sich die Frage stellen: „Wo steht man, wo gehört man hin? Und von diesen Wurzeln, bzw. von dieser Verbindung aus, kann man dann auch arbeiten und sich in die Zukunft orientieren.“
Daniel Bayer: Das ist auch das Schöne, dass die Weine nicht jedes Jahr gleich sind. Jedes Jahr aufs Neue entsteht ein neues Produkt.
Josef Umathum: Ja genau. Ich brauche das aber auch für mich, als Mensch und Kellermeister. Wenn die Trauben im Herbst kommen, dann sehe ich nicht nur die Trauben, sondern ich kenne auch die Geschichte dieser Trauben.
Ich weiß dann sofort: „Wie war es im Frühling, wie war es im Sommer?“
Ich gehe wenn es die Zeit erlaubt auch in den Weinberg, weil mir das ganz wichtig ist.
Bevor wir eine neue Parzelle anlegen, setze ich mich hin. Immer wieder über ein Jahr hinweg und erfasse:
- Woher kommt der Wind?
- Wie riecht es dort?
- Wie ist die Luft?
- Wie sind die Geräusche?
Dann habe ich eine Vorstellung davon, was für ein Produkt dort wachsen kann. Für mich ist es auch ganz wichtig diese Stimmung und Geschichte mitzunehmen.
Daniel Bayer: Also Terroir?
Josef Umathum: Terroir ist ein moderner Ausdruck, der mehr umfasst, als nur den Boden.
Sondern das Zusammenspiel von:
- Boden
- Mikroklima
- Pflanze
- oder die Genetik der Pflanze
Wir machen es so, dass man in einen alten Weinberg geht und sich dort bestimmte Stöcke aussucht, die Eigenschaften haben, die man für sich selbst als Winzer definiert.
Ich möchte z.B. gerne Trauben haben, die:
- sehr widerstandsfähig sind
- kleine Beeren haben, mit dicken Schalen und einem intensiven Geschmack
- resistent gegen Krankheiten sind
- nicht zu viele Früchte tragen
- und sehr ausgeglichen wachsen
Diese Stöcke beobachten wir dann über viele Jahre hinweg und testen diese dann auch mit modernen Methoden im Labor, auf bestimmte Viruserkrankungen.
Dann ernten wir die einzelnen Stöcke und Trauben und machen nur 2-3 Liter Wein davon. Manchmal auch weniger. Danach machen wir einen kleinen Weingarten, wo die Pflanzen die Eigenschaften der Mutterpflanzen haben.
Und dann wird wieder, über viele Jahre hinweg, Wein aus diesen Weingärten geerntet.
Erst dann nimmt man die Genetik der Pflanzen und geht auf das große Feld zurück und macht einen großen Weingarten.
Die Pflanzen haben sich dann über viele Jahre gemerkt:
- Wie dort gearbeitet wurde
- Wie dort die Luft war
- Wie dort die Umgebung war
- Ob sie in Kontakt mit anderen Pflanzen gestanden sind
Sie haben ihre Genetik dann perfekt an diesen Boden angepasst. Der Winzer hat dann die Entscheidung, als Mensch zu sagen: „Das gefällt mir besser, das bevorzuge ich und das nehme ich mit in die Zukunft.“
Der Fußabdruck des Menschen ist hier sehr prägend und intensiv, aber es gehört auch alles
andere mit dazu. Das Zusammenspiel von Boden, Mikroklima, Mensch und Pflanze würde man aus meiner Sicht als Terroir bezeichnen.
Daniel Bayer: Wir sind vorhin herumgegangen und dabei hatten wir auch ihre Schafe kennen gelernt (lacht). Welchen Zweck erfüllen ihre Schafe im Weinbau?
Josef Umathum: In erster Linie dachte ich mir: „Ich komme langsam in ein Alter, wo man sich überlegen muss:
„Wer macht das alles dann weiter?“
Das ist ein spannendes Thema, weil in der Landwirtschaft geht es vom Vater zum Sohn oder zur Tochter. Aber es kann auch eine außerfamiliäre Nachfolge in den Betrieben geben. Es wäre schade, wenn Wissen da ist und wenn Leute da sind, die eine super Ausbildung haben und sich für etwas interessieren, aber nicht das Kapital haben, um ein Weingut zu kaufen.
Es kann aber durchaus sein, dass solche Leute dann weiter machen. Irgendwann kommt dann auch für mich in den nächsten Jahren der Zeitpunkt aufzuhören und ich möchte nicht der sein, der dort sitzt und Anweisungen gibt, als der alte Herr (lacht). – Sondern ich suche mir ein Hobby!
Also dachte ich mir: „Schafe sind doch ganz interessant“
Ich hatte mir dann ein paar Tiere zugelegt und mit 7 Schafen begonnen. Also so für jeden Tag eines, aber nicht zum Essen, sondern zur Beweidung (lacht).
Und dann ist die Idee entstanden diese Tiere in die Arbeit mitzunehmen. Also hatten wir dann alles eingezäunt und Netze über die Blätter und Trauben gespannt, damit die Schafe das Gras und die Kräuter abfressen.
Und so entwickelt man die Dinge weiter und das ist auch ein sehr schönes Hobby.
Dann dachte ich mir: „Bienen passe auch ganz gut dazu.“ – Und so werden die Hobbys langsam zur Arbeit (lacht).
Aber ich denke, das ist das Inspirierende, weil das Schöne an den Tieren ist, dass sie unseren Pflanzen sehr nahe sind. Sie fressen Kräuter und Gräser sehr wechselhaft.
Der Mensch hat durch Beobachtung der Tiere gesehen, welche Kräuter, welchen Nutzen haben.
Wenn ein Reh oder ein Schaf krank wird, dann wird es nur bestimmte Kräuter fressen und das heilt dann oft die Krankheit. Der Mensch hatte das beobachtet und an sich selbst ausprobiert und gesehen was wirkt. Und so ist die Kräuterkunde von Hildegard von Bingen oder Paracelsus entstanden.
Das heißt: „Wenn die Tiere gesund sind, dann hat man auch eine große Biodiversität und ein ausgeglichenes Pflanzenspektrum in seinen Weingärten.“
Wenn die Pflanzen gesund sind, dann ist auch der Boden gesund. Die Tiere bilden für uns Menschen die Brücke zu unseren Pflanzen und zu unserem Boden. Das ist ganz entscheidend, denn die Basis einer Landwirtschaft ist immer der Grund und Boden.
Ich traue mir heute folgendes zu: Ich würde mir als Biokontrolleur keine Aufzeichnungen ansehen, sowie das die Bürokraten heute gerne machen. Sondern, ich würde mir einfach einen Spaten nehmen und an fünf verschiedenen Stellen in den Boden stechen und graben. Ich würde mir die Tiere anschauen und in kürzester Zeit wüsste ich alles, was in diesem Betrieb vorgeht.
Der Blick fürs Ganze ist das Entscheidende. Ich glaube, dass es ganz wichtig ist, dass wir das heute wieder bekommen.
Wir bilden heute Mensch aus, die in ihren Bereichen absolute Fachexperten sind, aber den Konvex nicht mehr erkennen können. Oft sind die Betriebe auch zu komplex, als dass es ein Mensch alleine schaffen könnte. Daher muss man wissen wie groß ein Betrieb sein kann, damit man das noch überschauen kann.
Daniel Bayer: Haben sie ein Gefühl dafür entwickelt Probleme im Weingarten zu erkennen, um Rückschlüsse auf die Ursache ziehen zu können?
Josef Umathum: Ja. Grundsätzlich stimmt das, aber es ist nicht immer so leicht (lacht). Man rätselt dann oft herum und man ist auch nicht jeden Tag so gut drauf.
Wenn ich direkt zum Wein komme: „Wenn ein Wein sehr alkoholisch oder säurebetont schmeckt, dann ist die Ursache dafür häufig beim Boden zu finden.“
Eine Pflanze die auf dem Boden steht, wo sie ausgeglichen mit Wasser und Nährstoffen versorgt wird, hat ein ganz anderes Gleichgewicht und die Früchte reifen langsam.
Das heißt der Zucker geht langsam in die Höhe und die Säure geht langsam nach unten. Es gibt keine radikalen Ausschläge nach oben und unten.
Dort wo der Boden in Ordnung ist, geht es ganz langsam und dann kann man genau auf den Punkt ernten.
Man hat eine wunderbare Harmonie, was Säuregehalt und Zuckergehalt betrifft. Letztlich dann auch beim Alkoholgehalt und der Säure. Der Wein, auch wenn er analytisch mehr Alkohol hat, kann unwahrscheinlich harmonisch schmecken.
Sie hatten es sicher schon einmal erlebt, dass man ein Glas Wein hat und das steigt dann sofort in den Kopf und der Alkohol brennt. Oder die Säure geht in den Magen. Das kann durchaus passieren, wenn die Harmonie nicht gegeben ist.
Der Boden kann Wasser und Nährstoffe speichern und dann langsam an die Pflanze abgeben.
Wir haben zwar diese rhythmischen Ausschläge, wenn es warm wird und das Wasser kommt, dass das Wachstum steigt. Wenn es trocken wird und heiß, dann geht das Wachstum wieder hinunter.
Es gibt diese Kurven, sie sollen sich aber möglichst flach bewegen und dann passt das auch.
Dem Boden kann mach auch eine gewissen Lebendigkeit einhauchen.
Der Baustein dafür und da sind wir wieder bei den Tieren. Also wir arbeiten mit den Rinderhaltern zusammen. Wir haben vom Nationalpark Neusiedlersee große Flächen für die Beweidung gepachtet.
Dort stehen die Graurinder draußen in der Wiese und haben im Winter einen Unterstand.
Da sammeln wir den Mist, also den Kot auf. Das wird dann kompostiert. Und das kommt dann wieder zurück in den Weinberg und dient zur Belebung des Bodens. Dadurch baut man Humus auf.
Humus ist der Baustein im Boden, der Wasser und Nährstoffe speichern kann und dann langsam an die Pflanze abgibt.
Das ist das Entscheidende, dass die Pflanzen in einen anderen Rhythmus kommen. Es braucht aber oft Jahre, bis man das wieder hinkommt. Man kann es also reparieren, aber das dauert Jahre.
Ich denke mir dann oft: „War jetzt dieses kleine Kräutchen nicht da früher oder habe ich das übersehen?“
Wenn man so arbeitet, wie wir das in diesem Betrieb tun, dann muss man seinen Standpunkt verändern.
Das man nicht sagt: „Ich bin der große Guru, der alles weiß.“
Sondern, dass man seinen Standpunkt verändert. Man muss die Dinge von einer anderen Seite betrachten.
Ich höre oft Kollegen sagen: „Seit wir so arbeiten, haben sich unsere Weine verbessert.“
Das kann durchaus stimmen, aber noch besser ist es zu sagen: „Ich habe meine Sichtweise verändert und ich schmecke plötzlich anders.“
Was sehen wir, wenn wir einen Baum anschauen der Blätter hat?
Wir sehen: Der Wind bläst die Blätter hinauf und das bewegt dann die Blätter.
Aber wenn wir beginnen die Umwelt so zu betrachten: Unser Baum ist so wach, dass er seine Blätter bewegt, damit der Wind durch kann, dann sehen wir plötzlich Dinge, die wir vorher nicht gesehen hatten.
Und darum geht es, wenn man mit der Natur und mit Tieren arbeitet, dass man seinen Standpunkt verändert und beginnt Dinge anders zu betrachten. Dann kommt man in eine gewisse Dynamik und Resonanz hinein und das ist das Entscheidende.
Also man sollte nicht sagen: „Ich mache das jetzt so und das ist das einzig Richtige!“ – Sondern, man muss interagieren und sich auch mitnehmen lassen.
Daniel Bayer: Also unbedingt mit wachen Augen durch den Weingarten gehen. Die Umwelt wahrnehmen und versuchen die Dinge zu hinterfragen.
Josef Umathum: Genau. Wir sind als Menschen sicher nur eine Zeitlang hier und eine kleine Fußnote in der Geschichte dieser Erde. Deshalb sollte man sich bewusst sein, dass wir zwar Dinge verändern können, aber nicht alles. Das macht natürlich Freude, wenn man die Dinge verändert sieht.
Es gibt bestimmte Menschen, die eine bestimmte Sensibilität haben. Diese Menschen nehmen das auf und das sind die Menschen, die wir erreichen wollen.
Oft kommen wirtschaftliche Fragen, aber meine Aussage ist gerne die, dass ich sage: „Wir machen so viel Wein, dass wir die Österreicher 10 Stunden mit Wein versorgen können.“
Also wenn die Österreicher nur unseren Wein trinken würden, dann wären wir in 10 Stunden trocken. Das ist aber eine ganz wichtige Erkenntnis, denn dann wir sofort klar, dass es nicht notwendig ist ein Produkt zu machen, das jedem schmeckt. Ich brauche keinen Wein zu keltern, der allen Österreichern schmeckt, denn ich hätte spätestens nach 10 Stunden ein Problem.
So kann ich es mir durchaus erlauben einen Wein zu keltern, der Ecken und Kanten und Charakter hat und nicht jedem schmeckt.
Ich suche Mitarbeiter aus, die eine Sensibilität haben.
So dass man in der Früh kommt und bei viel Arbeit nicht mit Widerwillen arbeitet, sondern gerne kommt. Nicht wegen dem Geld, sondern wegen dem Umfeld. Kollegen, Betriebsklima und etwas Sinnvolles tun.
Wenn das nicht gegeben ist, droht heutzutage oftmals ein Burnout. Die Menschen sind körperlich gesund, aber der Kopf macht sie krank, weil sie Jobs machen müssen, wo sie nicht verstehen, warum sie das machen müssen.
Gerade im Umfeld mit den Tieren hat man eine ganz andere Gefühlsebene. Das schwingt ganz anders, ohne dass man etwas sagen muss. Es ist die Resonanz die dann wieder zurückkommt.
Wir hatten uns einmal Pferde für einen steilen Weinberg besorgt. Das Pferd sorgte für eine ganz andere Stimmung im Weinberg. Es war so bewegend, es war archaisch, als das Pferd plötzlich dort war.
Im Burgendland gibt es auch immer wieder Bäume und das ist wunderschön, wenn es blüht. Wir pflanzen auch ganz bewusst Bäume und Sträucher in den Weinberg hinein. Dadurch wird die Landschaft lieblicher und geborgener. Unsere Rebzeilen sind auch oftmals etwas gebogen und schlängeln sich entlang der Hügel.
Warum hatte man das gemacht? Wenn das Wasser den Hügel hinab läuft, musste es eine Kurve machen und ist dadurch länger versickert. Auch die Gleichmäßigkeit in der Arbeit, mit den Tieren, wurde verbessert.
[…]
Daniel Bayer: Sie hatten damals auch etwas Wunderschönes gesagt:
„Unsere Weine sind Lebensmittel für die Seele.“
Josef Umathum: Genau, das kann ich nur unterstreichen. Um zur Betriebsorganisation zu kommen. Wir sehen die Dinge heute oft rein wirtschaftlich. Das Betriebsziel ist es, einen hohen Gewinn zu machen.
Das kann ein Ziel davon sein, aber unsere erste Priorität ist es einen gesunden Boden zu haben!
Das ist die absolute Basis.
Es ist natürlich wichtig, dass der Betrieb organisatorisch und wirtschaftlich gut geführt ist, um Gewinn zu erzielen. Aber es muss nicht immer der höchste Gewinn sein, die erste Priorität muss im Vordergrund stehen.
Alle 25 Mitarbeiter, die hier arbeiten sollen einen schönen Arbeitsplatz haben und sich ein gutes Selbstwertgefühl erarbeiten. Ein Betrieb muss auch eine soziale Aufgabe haben. So pflanzen wir auch Bäume, damit die Touristen und die Nachbarn sich daran erfreuen können.
Daniel Bayer: Ich hatte bei meiner Recherche gelesen, dass sie im Jahr 2016 die Bürgerinitiative „freie Sicht auf Frauenkirchen“ gegründet hatten.
Josef Umathum: Genau. Ich bin zwar ein politischer Mensch, aber nicht parteipolitisch engagiert. Hier im Ort hätte das größte Gewächshaus für Österreich gebaut werden sollen. Ich habe grundsätzlich nichts gegen solche Dinge, aber darin hätten Tomaten auf Hydrokultur angebaut werden sollen.
Keine Mutter Erde, kein natürlicher Boden. Der Boden wäre zubetoniert und versiegelt worden. Man hätte Grundwasser herausgepumpt und die Tomaten x-mal in der Stunde bewässert. Und das Schlimmste daran wäre gewesen, dass die Tomaten nicht da wären um die Menschen zu ernähren, sondern sie wären dann angebaut worden, wenn keine Tomaten reifen – im Winter!
Das heißt die Produktion wäre im November gestartet worden bis in den März hinein und es wäre künstlich geheizt worden. Es hätte so viel Energie verbraucht wie der ganze Bezirk alleine benötigt. 20 % des Wassers aus der Gemeinde wären dort hineingegangen. Also eine absolute Agrarindustrie!
Wir sagen: „Ja die Leute sollen Tomaten essen, aber sie sollen sie dann essen, wenn sie von natürlicher Zeit reif werden.“
Dann hatten wir ausgerechnet, dass es energiewirtschaftlicher ist die Tomaten 4000 km mit dem LKW anzutransportieren. Selbst die Industrietomaten aus Südspanien oder Marokko werden günstiger hergestellt, wenn man dort die Heizkosten und die Energie nicht benötigt, als hier produziert im Winter mit Heizung.
Dann hatten wir die Bürgerinitiative „freie Sicht auf Frauenkirchen gegründet.“ – Wir hatten es so genannt, da Sie das Gewächshaus auf die einzige Orteinfahrt gebaut hätten, die noch nicht verschandelt war.
Das war wirklich eine harte Aktion, denn auch die Gemeindevertreter waren für das Projekt. Da gab es starken Gegenwind, deshalb gingen wir dann Unterschriften sammeln. Gerettet hatten uns dann die alleinerziehenden Mütter und damit hatten wir dann so viele Unterschriften, dass der Betreiber Angst bekam und das Projekt zurückgezogen hatte.
Wir hatten uns gemeinsam gewehrt und etwas zusammen erreicht. Es ist vorher noch nie in Österreich möglich gewesen, dass sich eine Bürgerinitiative gegen die Mehrheit im Gemeinderat durchgesetzt hat. Das war natürlich auch ein positives Zeichen.
Mir war klar: „Ich mache dieses Projekt, diese Bürgerinitiative und wenn das fertig ist, gehe ich da wieder raus.“
Wir hatten hier im Betrieb große Probleme bekommen, denn man hatte uns angezeigt. Alles was es bei uns zu kontrollieren gab, wurde dann auch kontrolliert. Es gibt schlechte Verlierer und die versuchen dann auf andere Art und Weise einen mundtot zu machen. Aber es ist ihnen nicht gelungen und ich würde es wieder machen. Ich glaube es ich wichtig aufzustehen und ein Zeichen zu setzen. Ein Betrieb hat auch eine soziale und gesellschaftspolitische Funktion.
Daniel Bayer: Um nochmal zurück auf ihre Weine zu kommen. Es würde mich interessieren auf welchen ihrer Weine sie am meisten stolz sind?
Josef Umathum: Das ist immer schwierig, da tue ich mich immer ganz schwer. Es sind die Weine, die einen am meisten Sorgen bereiten, deren Sorten schwierig im Anbau und im Keller sind. Die hat man am Liebsten.
Für mich ist das die Sorte St. Laurent. Die Sorte kämpft und lässt nicht ab. Sie wächst sehr ungestüm, voll in die Seite. Deshalb muss man immer wieder Triebe abnehmen und durchgehen. Auch die Blüte ist empfindlich, die Traube ist anfällig gegen Fäulnis und hat dünne Schalen. Die Lese ist auch sehr aufwendig, da man Beeren aussortieren muss.
Im Keller gärt er wie verrückt und neigt dazu in Richtung Essig abzudriften, wenn man nicht aufpasst. Um im Keller erdige und fast animalische Noten zu bekommen, muss man sehr behutsam vorgehen. Wenn man dann alles richtig gemacht hat, setzt man den Wein einem Kunden vor und der schmeckt ihm dann vielleicht nicht so gut, weil das ein Wein ist, der auch den Konsumenten fordert.
Dieser Wein ist in allen Bereichen ein schwieriger Hund. Neulich hatten wir in Salzburg einen St. Laurent von 1990 dabei und das war ein absolutes Highlight. Der Wein war 27 Jahre alt und man kniet dann einfach nieder vor solchen Weinen.
Daniel Bayer: Wie hatten sie das Etikett für ihre Flaschen entworfen?
Josef Umathum: Das Etikett ist sehr klassisch gehalten, mit einer klassischen Schrift. Und man erwartet, wenn man das Gebäude sieht kein modernes Etikett. Man erwartet, dass konservative Menschen dahinter stecken. Das Etikett drückt aus, dass der Inhalt der Flasche eher klassisch ist. Die Weine sind handwerklich gemacht, haben Zeit zum Reifen, sind langlebig und das drückt auch das Etikett mit aus.
Das Etikett gibt es seit 1986 unverändert. Auf dem Etikett ist die Kirche von Frauenkirchen im Hintergrund abgebildet und der Familienname Umathum wurde in der Schriftart Luther Fraktur aufgedruckt. Umathum bedeutet: „Um den Dom, neben der Kirche“ – Und deshalb hat man im Hintergrund auch die Kirche von Frauenkirchen abgebildet.
Das Etikett ist zeitlos und hat einen großen Wiedererkennungswert. Es ist unser Markenzeichen. Wir haben eine klare Aussage, das mag nicht jeder, aber das wollen wir auch gar nicht.
Seit 2006 hatten wir ausschließlich auf Glasverschluss umgestellt. Das ist ein Glaspfropfen mit einer weichmacherfreien Kunststoffabdichtung, der aus der Medizin kommt und keine Stoffe abgibt. Dadurch hat man einerseits eine Versiegelung, wodurch die Weine weiter reifen können und andererseits hat man keine Probleme mit einem Fehlgeschmack. Das ist ein sehr hochwertiger Verschluss, der sich auch haptisch gut anfühlt. Nicht wie ein billiger Drehverschluss.
Daniel Bayer: Was hat es eigentlich mit dem Lindenblättrigen auf sich?
Josef Umathum: 2008 gab es die erste Ernte und die Gründe sind unter anderem der Klimawandel, welcher eine andere Arbeitsweise erfordert. Wir suchen neue Pflanzen, die diese Bedingungen besser schaffen. Dazu schaue ich auch in der Historie nach und bin auf den Lindenblättrigen gestoßen.
Um 1900 war es zu kühl für die Rebsorte, weil sie nicht mehr reif geworden ist. Da dachte ich mir: „Damals nicht mehr reif geworden? Das müsste jetzt genau passen!“
Ich bekam dann auch eine Kostprobe von den Weinen und fand das absolut spannend. Nach zwei Jahren hatten wir uns dazu entschlossen Setzlinge zu kaufen und diese auszusetzen. Jedoch brauchten wir dazu eine Sondergenehmigung, weil es eine Sorte ist die nicht im Rebsorten Register ist.
Und unter den veränderten Klimabedingungen gibt es heute einen absolut spannenden Wein. Man erhält Weine die relativ leicht und frisch sind. Die Sorte passt auch irrsinnig gut zu den traditionellen Gerichten. Das war auch bei den ungarischen Königen der Wein zu den Festessen.
So kamen wir auch auf den Namen: „königlicher Wein“
Es gibt Kunden die genau nach solch einzigartigen Weinen suchen. Es ist auch geschmacklich eine Herausforderung, aber etwas das Bewegt. Ich würde mich freuen, wenn noch weitere Kollegen den Lindenblättrigen anpflanzen würden. Aber bisher sind wir die Einzigen, die das machen.
Daniel Bayer: Welche Primäraromen bringt der Lindenblättrige mit?
Josef Umathum: In Richtung Lindenblüten, deshalb heißt er auch so. Vom Duft her in Richtung Honig und vom Geschmack eher in Richtung Steinobst. Mit einer lebendigen und frischen Säure. Nicht so aggressiv, aber vollmundig. Der Wein reift trotz seiner Leichtigkeit eher langsam und braucht mindestens ein Jahr im Fass und 2-5 Jahre in der Flasche.
Das geht auch entgegen dem Trend Weine jung zu trinken. Wir haben ja den Trend: „Jung, jünger, noch jünger!“
Die Weine werden jung auf den Markt geworfen, mit allen möglichen Tricks geschönt und aufgemotzt. Damit es einheitlich schmeckt und das ist ein Wein, der genau das Gegenteil ist. Der Wein braucht Zeit und jemanden der auch etwas Weinverständnis hat.
Daniel Bayer: Wie wird der Wein von den Kunden angenommen?
Josef Umathum: Die Produktion ist sehr klein. Wir machen ca. 1000 Flaschen davon und jetzt haben wir unsere Kunden gefunden, die das suchen. Jetzt müssen wir etwas mehr machen, aber es war zu Beginn ganz schwierig. Wir mussten gegen Windmühlen kämpfen, denn es entspricht nicht dem aktuellen Zeittrend.
Aber es gibt auch den Trend zu designten Weinen. Zu Orange Weinen, Naturweinen oder der bessere Ausdruck wäre raw wine. Das sind wilde Weine die in Amphoren ausgebaut oder nicht geschwefelt wurden und ein ganz anderes Geschmacksbild ergeben.
Der Lindenblättrige geht von Natur aus mehr in diese wilde raw Richtung.
Daniel Bayer: Wäre es für sie interessant einen Orange Wine zu machen?
Josef Umathum: Nicht unbedingt. Ich habe zwar solche Weine im Keller liegen und koste das gelegentlich, aber es muss einem auch klar sein, dass man nicht alles machen kann.
Was ich hier verfolge ist es einen eigen Stil zu finden. Einen eigenen Wein Stil. Und ich denke, dass wir das auch schon geschafft haben und das wollen wir noch weiter verfeinern.
[…]
Daniel Bayer: Welche Projekte haben sie für die nahe Zukunft geplant?
Josef Umathum: Momentan fällt mir nichts Neues ein. Natürlich gibt es immer wieder Herausforderungen. Unsere Herausforderung ist es, dass wir die Veränderung der Natur im Auge behalten und auf der Hut sind. Ich sehe es als meine Aufgabe den Betrieb zu einem harmonischen Ganzen zu führen. So habe ich nun auch eine neue Mitarbeiterin eingestellt, die im Herbst zu uns kommt. Sie ist eine ausgebildete Önologin und bringt Erfahrung aus dem Weinkeller und wichtiges Fachwissen mit.
Wir mussten jemanden in das Weingut holen, der den Betrieb auch mit der Familie weiter führen kann. Das braucht natürlich Zeit, bis alles wieder rund ist. Es ist sehr schön, dass man das Wissen und die Freude teilen kann.
Daniel Bayer: Was ist ihr Lieblingsland? Wohin reisen sie am Liebsten?
Josef Umathum: Dorthin wo die Menschen erdig sind. Es gibt Regionen z.B. in Russland wo die Menschen noch Freunde fürs Leben werden können. Die Wurzeln unserer Familie liegen noch in Galizien, das ist die heutige Ukraine.
Das Schöne ist auch, dass in diesen Regionen die alten Dinge noch da sind, aber die Neuen schon begonnen haben. Diese Übergangszeit.
Afrika würde mich auch intensiver interessieren. Ich finde die Musik dort sehr spannend.
Daniel Bayer: Das war eine ganze Menge Inhalt. Es schadet mit Sicherheit nicht das Interview zwei oder dreimal anzuhören. Ich möchte mich bei ihnen bedanken, dass sie sich die Zeit genommen haben.