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Hallo und herzlich Willkommen zum WINZER TALK.
Ich bin Daniel Bayer und das ist der Podcast zur Website wein-verstehen.de.
Daniel Bayer: Hallo liebe Zuhörer. Ich bin heute im Burgenland unterwegs. Um genau zu sein in Purbach am Neusiedlersee. In der Kellergasse. Und ich bin heute zu Gast beim Weingut Strommer. Ich habe Thomas und Tina damals im STOCK ***** resort anlässlich der 15. Weinwoche kennen gelernt, und war total begeistert von ihren Weinen. Vielleicht habt ihr es schon gelesen, aber ich habe den einen oder anderen Artikel zum Weingut Strommer schon verfasst. Ich will euch – liebe Zuhörer – jetzt noch einmal die Möglichkeit geben, Thomas ganz persönlich kennen zu lernen. Und deshalb ist Thomas Strommer heute hier mit dabei. Hallo Thomas.
Thomas Strommer: Servus Daniel. Grüß dich. Hallo.
Daniel Bayer: Vielleicht wärst du kurz so nett und stellst dich den Zuhörern vor, die dich noch nicht kennen.
Thomas Strommer vom Neusiedlersee aus der Kellergasse in Purbach stellt sich vor
Thomas Strommer: Hallo liebe Zuhörer. Ich bin der Tom Strommer vom Neusiedlersee aus Purbach. In der wunderschönen Kellergasse. Ich bin dort aufgewachsen und dort gehöre ich hin. Es ist einfach sensationell da. Wir haben ein kleines aber feines Weingut hier. Wir haben 7 Hektar Weingärten die wir bewirtschaften.
Angefangen hatte das Ganze im Jahr 1990, als mein Papa den ersten Wein gekeltert hatte. Er hatte den Wein gemacht, hatte aber nachher nicht gewusst wie er den Wein verkaufen sollte. Und dann hatte er den Heurigen da gegenüber gegründet. Er hatte den Keller gekauft. In dieser Kellergasse war eigentlich Totenstille. Da war nichts. Da war niemand.
Und mein Papa hatte die Vision: er macht jetzt den Heurigen und da geht der Radwanderweg vorbei und die Leute werden hier einströmen. Die Leute werden einfach unsere Weine genießen und den Leuten sollte es gut gehen.
Viele hatten zu ihm gesagt:
„Du spinnst ja komplett. Das kannst du nicht machen. Da kommt nie jemand her.“
Genau das ist aber eingetroffen. Die Vision, die mein Papa hatte. Es war dann so, dass es von Jahr zu Jahr immer extremer geworden ist. Mein Papa hatte den Keller mit meiner Mama renoviert. Ich hatte als Kind auch schon mitarbeiten müssen. Ich war mit 14 Jahren schon an der Mischmaschine gestanden und hatte geschaufelt.
Wir hatten dann alles hergerichtet und im Jahr 1998 eröffnet. Schritt für Schritt, also Step-by-step war es dann so, dass wir immer mehr Wein gebraucht hatten. Die Karte in der Gastronomie ist ebenfalls immer größer geworden und mittlerweile, 20 Jahre später, sind wir ein erfolgreicher Betrieb. Es ist ein knochenharter Job, aber es läuft. Und wir sind sehr glücklich damit.
Der Wein ist uns natürlich sehr naheliegend. So wie wir uns kennengelernt hatten, lieber Daniel. Wir sind ins STOCK resort gekommen. STOCK resort, das ist 5 Sterne Plus und um da rein zu kommen, muss man schon eine sehr gute Qualität erzielen. Und das war sehr wichtig für mich. Ich bin ein Qualitätsfanatiker und damit höre ich nie auf. Es geht immer Berg auf.
Das Luxushotel STOCK resort setzt auf Strommer Wein
Daniel Bayer: Das hört sich alles an wie eine rasante Erfolgsgeschichte. Wir sind mittlerweile im 5 Sterne STOCK resort angekommen. Du stehst inzwischen auch auf der Karte vom STOCK resort und das will einiges heißen, denn das ist wirklich gehobene Gastronomie. Da geben sich die Stars die Klinke in die Hand. Aber weißt du noch was der aller erste Wein war, den dein Vater gemacht hatte?
Thomas Strommer: Der erste Wein. Das war die Cuvée de Philipp. Das war eigentlich ganz witzig, weil von meinem Papa der Großvater Philipp hieß. Und mein Papa wollte den Großvater somit wieder aufleben lassen, denn ich hatte den Mann damals nicht mehr gekannt.
Das war eine Cuvée aus Welschriesling und Chardonnay, also etwas ganz außergewöhnliches. Das war einfach der einzige Weingarten den er gehabt hatte. Dann sagte er: „Wenn ich hier einen Welschriesling mit 500 Liter mache und da einen Chardonnay mit 500 Liter, dann ist im Grunde keine Menge vorhanden. Also hatte er es zusammengeschüttet und eine Cuvée daraus gemacht. Und so ist dann die Cuvée de Philipp entstanden.
Daniel Bayer: Du hattest den Wein damals wahrscheinlich nicht probiert. Da warst du noch zu jung. (lacht)
Thomas Strommer: Ja, ich war damals natürlich noch viel zu jung. (lacht)
Daniel Bayer: Da kommt dein Papa gerade. Vielleicht kann er uns sagen wie der Wein damals geschmeckt hatte.
Thomas Strommer: Ja komm her Papa. Du musst das erzählen.
Strommer Senior: Ja. Das war der gemischte Satz. Das war ein alter Weingarten. Den hatten wir damals noch selbst getrunken. Beim ersten Wein waren das nur 400 Liter.
Daniel Bayer: Das war dann also der Moment, als du gesagt hattest: „Das schmeckt so gut, da will ich weiter machen.“
Strommer Senior: Der erste Wein war der Wahnsinn. Das konntest du nichts mehr besser machen. Der war schon so gut. (lacht)
Daniel Bayer: Da gab es dann auch gleich die ersten Auszeichnungen. Ich hatte bei meiner Recherche etwas von einer Goldmedaille gelesen.
Strommer Senior: Ja. Mit dem ersten Wein hatten wir gleich die Goldmedaille gewonnen und mit dem zweiten Wein waren wir im Landessiegerstechen mit dabei. Hätten wir 1000 Liter abgegeben wären wir wahrscheinlich Landessieger geworden. Wir hatten aber leider mit 500 Liter damals zu wenig abgegeben, weil wir es nicht besser wussten.
Daniel Bayer: Das war damals schon ein grandioser Erfolg. Hättet ihr jemals erwartet, dass sich das irgendwann alles so positiv entwickelt?
Strommer Senior: Das hätte vor 20 Jahren niemand gedacht.
Thomas Strommer: Das ist für uns ein unfassbares Gefühl. Aber das Interessante an unserem Betrieb ist, dass wir alles Quereinsteiger sind. Und das versuche ich auch immer, auf jeder Weinpräsentation den Leuten mitzuteilen. Das sollen die Leute verstehen, dass wir das aus Herzblut und aus purer Leidenschaft machen. Wir hatten das nicht gelernt.
Mein Vater war Montageschlosser. Ich bin gelernter Maurer. Die Tina ist gelernte Köchin. Die Mama ist Briefträgerin gewesen. Du musst einmal von null anfangen und das alles machen. Das muss erstmal jemand tun. Wir hatten wie der Papa, der damals von seiner Mutter zwei Weingärten erbte, ebenfalls Weingärten geerbt. Und mit diesen zwei Weingärten hatte der Papa damals einen Wein gemacht.
Er hatte immerhin durch den Großonkel etwas gelernt. Der Großonkel, der leider schon verstorben ist, war ein super Weinmacher. Ein super, super, super Bursche. Mein Vater hatte viele Jahre mit ihm im Weinkeller verbracht und hatte viel von ihm gelernt. Das hatte mein Vater alles aufgenommen und so ist das Ganze dann groß geworden.
Er hatte auch Visionen. Wir mussten schauen, dass wir qualitativ immer besser wurden. Er sagte: „Wir müssen Weine im Barrique ausbauen!“ Aber, jeder hatte gesagt: „Was? Nur kein Barrique, keiner trinkt einen Barrique-Wein!“
Der Papa war aber soweit, dass er Barrique Fässer gekauft hatte. Er hatte das Ganze dann im Barrique ausgebaut und das war in den Jahren 1993,94,95. Und das war ganz großes Kino. Den Quereinstieg, das muss man sich alles erarbeiten. Da gehört sich viel dazu.
Daniel Bayer: Dein erster Bildungsweg war Mauer. Hattest du das dann viele Jahre lang gemacht?
Thomas Strommer: Nein. Es war so: Ich bin ein Jahr in die Weinbauschule gegangen, in Eisenstadt bei uns. Und dann hatte ich gesagt: „Nein, das halte ich nicht mehr aus. Das will ich nicht mehr. Ich will nicht von meinen Eltern abhängig sein. Ich will nicht in die Schule gehen. Ich war nie ein braver Schüler.“
Für mich war die Schule immer ein Dorn im Auge. Eine Katastrophe. Und dann hatte ich gesagt: „In die Bauernschule?“ Jeder hatte immer gesagt:
„Was du gehst auf die Bauernschule?“
Mit den Bauern wollte ich aber gar nichts zu tun haben. Also was sollte ich machen? Ich musste etwas lernen. Dann hatte ich einen Freund gefragt: „Was sollen wir lernen?“ Und mein Freund sagte: „Mein Papa hat Maurer gelernt, da verdient man das meiste Geld als Lehrling. 7000 Schilling!“
Somit war für mich klar: „Ich lerne jetzt Maurer!“
Daniel Bayer: Weißt du was 7000 Schilling ungefähr in Euro war? Ich kann mir darunter gar nichts vorstellen.
Thomas Strommer: 7000 Schilling waren in etwa 300 €. Ein Tischlerlehrling hatte im Vergleich dazu nur 2000 Schilling verdient. Das war der Wahnsinn. Ich war immer jemand der sein eigenes Geld verdienen wollte.
Dann, nach der Ausbildung, war ich ein Jahr beim Zivildienst. Also beim roten Kreuz. Da bin ich mit der Rettung gefahren. Das war ein cooler Job. Das rote Kreuz hatte mir sehr gefallen. Hätte es unser Weingut damals nicht schon gegeben, wäre ich dort heute noch. Ich bin ein sozialer Mensch und den Menschen zu helfen hatte mir sehr gefallen. Aber ich hatte mich dann entschieden zu Hause im Betrieb zu bleiben. Und das war auch der richtige Weg.
Trotzdem ist die Selbstständigkeit ein harter Weg. Vor allem wenn du nichts weißt. Und wir haben gleich drei Firmen: Wir haben einen Weinbau, eine Gastronomie und teilweise noch einen Handel dabei. Das muss man erst einmal schaffen. Wir hatten keine Betriebswirtschaftslehre gemacht. Du musst dich überall antasten.
Daniel Bayer: Ich glaube ohne die Tina würdest du das nicht schaffen. Oder?
Thomas Strommer: Ohne die Tina würde ich das auf gar keinen Fall schaffen. Ich habe der Tina ein super schönes Büro gebaut. Die Tina schreibt die Rechnungen und macht das Marketing. Ohne die Tina würde das nicht funktionieren. Nächstes Jahr 2019 werden wir heiraten. Ich hatte ihr in Südafrika, im Weingut Constantia Glen, einen Heiratsantrag gemacht.
Aber wir sind ein Familienbetrieb und jeder ist wichtig. Wir als Familie sind zu viert. Wir haben noch einen fixen Mitarbeiter in den Weingärten. In der Gastronomie haben wir noch vier, fünf Mitarbeiter beschäftigt.
Wir sind der normalen Vegetation momentan drei Wochen voraus. Es ist momentan wirklich sehr viel Arbeit in den Weingärten. Da ist Not am Mann und für diese Zeit haben wir noch zusätzliche Leute. Im Großteil sind wir somit ca. 7-10 Leute. Es ist heutzutage ein harter Kampf als Quereinsteiger. Die Lohnnebenkosten werden nicht weniger. Du musst selbst jeden Tag arbeiten wie ein Tier.
Daniel Bayer: Das war auch mein erster Gedanke, als ich in die Kellergasse gekommen war. Die arbeiten hier alle wie die Tiere und sind voll eingespannt. Dabei hattest du doch früher eine ganz andere Vision von deinem Leben?
Thomas Strommer: Eine komplett andere Vision (lacht). Meine Eltern hätten nie gedacht, dass das so mit mir weitergehen würde. Meine Eltern hatten mit dem Ganzen abgeschlossen. Sie hatten gesagt: „Der? Der wird nie irgendwas übernehmen!“
Ich hatte Dreadlocks. Schulterlang. Ich bin mittlerweile 15 Jahre im Betrieb, aber damals hatte ich einfach nur mitgearbeitet, um Geld zu verdienen. Im November wurde der Betrieb dann zugesperrt und dann war ich weg. Dann bin ich für drei, vier Monate nach Asien geflogen. Zack! Rucksack gepackt und drei Monate weg. Mein Leben, das ich gesehen hatte, war: „Ich liege am Strand, unter Palmen, rauche einen Joint und mache nichts. Höchsten als Surflehrer oder Tauchlehrer.“ Damals war ich zwischen 17 und 20 Jahre alt. Ich hatte ziemlich Gas gegeben.
Aber es war schön und ich will die Zeit nicht missen. Ich hatte das sehr genossen. Ich bin froh, dass ich es erlebt hatte. Sonst hätte ich heute vielleicht das Gefühl gehabt etwas verpasst gehabt zu haben. Das war sehr wichtig.
Daniel Bayer: Was war der Knackpunkt, als du gesagt hattest: „Ich will jetzt nicht mehr unter Palmen liegen?“
Thomas Strommer: Naja, da hat es einige Knackpunkte gegeben. Meine Eltern hatten gesagt: „Du musst nach Hause kommen und im Heurigen helfen!“ Dann bin ich gekommen. Die Dreadlocks hingen mir ins Gesicht. Ich hatte rote Augen, weil ich schon einen Joint geraucht hatte. Und dann war es soweit, dass ich richtig Ärger von meinem Papa bekommen hatte. Er sagte:
„Geh weg, dich brauchen wir hier nicht! Flieg auf die Philippinen, aber lass uns in Ruhe! Wir wollen dich hier nicht mehr sehen!“
Das war wirklich schlimm. Ich war am kompletten Tiefpunkt. Dann bin ich nach Hause und musste mich zusammenreißen. Dann war es aber so weit, dass ich mich selbst gefunden hatte. Ich hatte beschlossen, dass ich etwas aus meinem Leben machen möchte. Und dann hatte ich einige Jahre so dahingeschweift. Ich hatte immer mitgearbeitet, damit ich meine Winterurlaube finanzieren konnte. Ich war im Service tätig und hatte mein Geld verdient. Meine Eltern hatten mir meinen Lohn ausgezahlt. Meine Eltern hatten mir ca. 1500 € im Monat ausgezahlt plus Trinkgeld. Ich war als Angestellter beschäftigt.
Daniel Bayer: Aber für dich war der Zeitpunkt jetzt Winzer zu werden noch nicht gekommen?
Thomas Strommer: Davon Winzer zu werden war noch überhaupt keine Rede. Es war immer etwas schwierig. Meine Oma hatte ein kleines Bauernhaus. Dort hatte mein Papa immer seinen Wein gemacht. Dort war die Kühlanlage, wo die Gärung kontrolliert wurde. Wir hatten nie eine eigene Presse. Wir hatten immer alles bei der Tante gemacht. Wir hatten dort gepresst und geerntet. Für mich war das aber zu Industriell. Ich konnte die Philosophie dahinter nicht verstehen. Dort wurde mit Maschinen geerntet. Darin konnte ich mich nicht finden. Ich sagte: „Das interessiert mich alles gar nicht.“
Ich muss ehrlich gestehen: „Leo Hillinger ist einer meiner besten Freunde. Er hatte mir damals sehr auf die Bahn geholfen und mich ermutigt diesen Weg einzuschlagen.“
Er sagte zu mir: „Ich war genauso wie du. Die Schule hatte mich nicht interessiert. Schau mich an. Ich bin erfolgreich geworden. Ich habe mir alles selbst aufgebaut. Wenn du das leben kannst, dann funktioniert es auch!“
Und ich hatte dann auch gesehen, dass ich es leben kann. Ich hatte mich komplett selbstständig gemacht. Ich hatte die Zusammenarbeit mit meiner Tante getrennt. Ich hatte mir meinen eigenen Betrieb aufgebaut. Ich hatte Schulden gemacht. Ganz egal. Das gehört eben dazu, wenn man einen neuen Betrieb aufbaut.
Aber seitdem bin ich total happy. Es funktioniert. Ich hatte alles umgestellt. Auf Handlese. Wir bearbeiten jetzt alles mit einem schonenden Verfahren. Wenig Pumpen. Der Most wird wenig bewegt. Richtig schonend eben. Das spiegelt sich natürlich auch in der Qualität der Weine wider. Und das war ein großer Schritt. Und jetzt sind wir, wie mein Wein, am Zenit. Der Zenit Wein ist übrigens 2013 zum ersten mal entstanden.
Daniel Bayer: Was sagt dein Vater dazu, dass du so moderne Ansichten mit in den Betrieb übernommen hattest?
Thomas Strommer: Mein Papa ist sehr stolz auf mich. Er unterstützt mich in diesen Dingen sehr. Zum Glück, denn in einem Familienbetrieb zu arbeiten ist nicht jeden Tag einfach. Dort arbeiten zwei Generationen, aber vier Leute. Das ist nie einfach. Keinen Tag. Wir verstehen und zwar gut, aber es ist trotzdem schwierig wie in jedem Job. Mit Arbeitskollegen wird es irgendwann immer kompliziert.
Daniel Bayer: Was hatten deine Eltern damals zu dir gesagt, als du entschieden hattest alles zu übernehmen?
Thomas Strommer: Sie sagten: „Bist du wirklich sicher, dass du das übernehmen willst? Dann arbeitest du nur noch!“
Ich sagte: „Ja! Ich bin mir sicher, denn ich bin mir sicher, dass ich das noch weiter aufbauen werde. Wir werden einen geilen Betrieb machen und wir machen ein super Produkt.“ Meine Vision ist es das die Gastronomie irgendwann einmal selbst läuft und wir uns nur noch auf den Wein konzentrieren müssen. Mein Traum ist es, dass es meinen Wein in ganz Österreich und ganz Deutschland geben wird. Ich habe großes Denken.
Daniel Bayer: Wie bist du auf die Idee gekommen am Neusiedlersee einen Pinot Noir zu machen?
Thomas Strommer: Da müssen wir unterscheiden zwischen Neusiedlersee und Leiterberg.
Am Leiterberg, also am Westufer vom Neusiedlersee, wo wir zu Hause sind, dort besteht der Boden größtenteils aus Kalk bzw. Muschelkalb. Hier am Leiterberg herrschen ähnliche Verhältnisse wie in der Burgund. Wir haben das Pannonische Klima. Wir haben heiße Tage und kühle Nächte. Der Boden ist ebenfalls enorm wichtig. Der Boden bringt die Mineralität in den Wein und das ist das wesentliche. Alle Burgunderarten faszinieren mich schon immer. Seitdem ich Wein bewusst genieße ist Pinot Noir ein ganz großes Thema für mich.
2015 hatte ich angefangen meinen ersten Pinot Noir auszubauen. Das ist noch nicht lange her. Ich hatte nie einen eigenen Weingarten mit Pinot Noir. Also fragte ich meine Tante, ob ich drei Reihen ihrer Pinot Noir Zeilen haben könnte. Ich würde es auch selbst bewirtschaften, also selbst ernten und keltern. Sie sagte „ja“. Daraufhin hatte ich den Wein gekeltert und der Jahrgang 2015 wurde ein super Wein. Der Wein ist etwas kräftig in der Farbe und hat schöne, reife Tannine. Der Wein hat auch ein gewaltiges Lagerpotential und deshalb hatte ich mir auch 100 Flaschen auf die Seite gelegt. Ich bin mir sicher, dass der Wein in 10 Jahren großartig sein wird.
Und das Lustige ist: „Pinot Noir verfolgt mich.“ Wir haben den Rosenberg. Das ist eine gute Lage von uns. Dort ist der Grüne Veltliner Bergweingarten, Syrah und Sauvignon angepflanzt und da hatte ich immer im Weingarten gearbeitet. Und während der Arbeit sah ich immer zum Nachbarn hinüber. Und ich dachte mir immer: „Was ist denn mit deinem Weingarten los? Da ist alles total verwildert. Was soll das denn? Das kann doch nicht sein!“
Also ging ich eines Tages zu dem Besitzer hinüber und fragte ihn: „Was ist denn mit deinem Weingarten los?“
Er sagte: „Keine Ahnung. Mein Vater ist sehr jung gestorben. Und dann ist es nichts mehr geworden. Ich wollte das auch nicht mehr weiter machen. Ich weiß nicht was das für Trauben sind, aber ich verkaufe dir den Weingarten.“
Und dann hatte ich den Weingarten gekauft, ohne überhaupt zu wissen welche Rebsorte dort angebaut wurde. Außerdem war, wie schon gesagt, alles total verwildert. Deshalb wollte ich den Weinbaukadaster von ihm haben. Im Weinbaukadaster steht alles drin: Quadratmeter, wo ist die Lage, wem gehört der Weingarten und welche Sorte wächst dort.
Jeder Winzer hat seinen Weinbaukadaster. Dann bekam ich also den Kadaster von ihm und es stand drin: Blauer Burgunder. Das war wie eine Eingebung für mich. Wahnsinn. Mein Traum. Pinot Noir ausgesetzt 1982 auf einer Hanglage, was für mich perfekt war. Die reife Rebe weiß genau wo es die Nährstoffe und das Wasser gibt. Eine junge Rebe muss dort erst mit den Wurzeln hinkommen.
Ich erinnere mich noch gut daran, dass ein Nachbar alles rausgerissen hatte. Den ganzen Blaufränkisch. Er wollte alles neu machen. Ich riet ihm davon ab, denn einen reifen Weingarten muss man verjüngen und nicht alles herausreißen! Der Rebstock soll nur Qualität bringen und keine Menge. Und das tut er auch, weil ich den Weingarten auch so pflege, dass er eine tolle Qualität erbringt.
Daniel Bayer: Wird dein neuer Pinot Noir eine andere Stilistik haben?
Thomas Strommer: Wahrscheinlich schon, aber ich bin mit solchen Aussagen immer sehr vorsichtig. Es liegt noch im Barrique und ist vom Jahrgang 2017. Die Weine im Barrique sind schwer vorherzusehen und deshalb möchte ich dazu nicht viel sagen. Wenn der Wein fertig ist können wir diesen aber gerne zusammen verkosten, um zu sehen wie er sich entwickelt hat.
Daniel Bayer: Ich freue mich schon sehr darauf, denn dein 2015er Pinot Noir ist richtig großartig!
Thomas Strommer: Danke! Ich bin auch sehr stolz auf meinen 2015er Pinot Noir. Das ist nicht der klassische Pinot Noir, sondern einer den man zu einem guten Essen aufmacht. Ganz wichtig: Dekantieren! Der Wein braucht sehr viel Luft. Oft hat man heutzutage leider nicht mehr die Zeit, aber zu schönen Stunden nimmt man sich die Zeit.
Daniel Bayer: Wahrscheinlich haben die Leute im Heurigen etwas weniger Zeit und wollen lieber etwas frisches, fruchtiges Trinken. Oder?
Thomas Strommer: Wir haben am 30. März aufgesperrt und seitdem hatten wir jeden Tag 25 Grad. Wir sind ein Sommerbetrieb. Wir haben heuer im Frühling das, was normalerweise im Sommer ausartet. Da werden die Weißweine und Roseweine bevorzugt. Beim Weißwein wird gerne Welschriesling und gelber Muskateller getrunken. Die Leute wollen fruchtige und süffige Weine. Im Herbst ist Gansessen angesagt. Da wird dann Rotwein getrunken. Oder wir fahren im Winter ins Zillertal und verkaufen den Rotwein dort. Dort stehen wir auf der Karte vom Stock resort und die Leute sind sehr zufrieden mit unserer Qualität.
Es machen so viele Leute Wein, aber du musst den Wein an den Mann bringen. Das ist das Schwierige an diesem Geschäft. Der Weinmarkt ist gesättigt. Wenn man eine Marke ist, dann läuft die ganze Sache schon, aber bis man eine Marke wird dauert es. Die Mengen die wir heute produzieren können wir nicht mehr selbst trinken.
Daniel Bayer: Zum Glück bist du hier geblieben und nicht weggegangen! Wer hätte das Ganze sonst weiterführen sollen? Du bist wahrscheinlich der einzige Sohn. Oder?
Thomas Strommer: Nein. Ich habe noch einen Bruder, aber er arbeitet auf der Gebietskrankenkasse und ist 6 Jahre älter als ich. Er hat dort eine Führungsposition und eine sehr gute Anstellung. Er verdient sein Geld leichter als ich. Zum Wein konnte er nie so richtig einen Bezug aufbauen.
Österreichs nächster Topwinzer mit Leo Hillinger
Daniel Bayer: Du warst letztes Jahr in der TV-Sendung Österreichs nächster Topwinzer. Kannst du uns etwas darüber erzählen?
Thomas Strommer: Ja das war das absolute Highlight. Das war letztes Jahr im Puls 4 Fernsehsender. Ich hatte lange darüber nachgedacht, ob ich mitmachen sollte. Ich wollte mich nicht lächerlich machen. Aber ich mache eine Top Qualität, also hatte ich mich angemeldet. Daraufhin kamen die Produzenten, um ein Casting-Video mit mir zu machen und um zu prüfen ob ich kameratauglich bin.
Schon eine Woche später bekam ich eine E-Mail, in der stand, dass ich mit dabei sein werde. Es war daraufhin ein sehr lehrreiches, extremes, aber auch intensives Jahr. Es hat sich aber auf jeden Fall ausgezahlt. Wenn man im Fernsehen war, dann bekommt man einen gewissen Bekanntheitsgrad. Jeden Tag kommen Gäste in den Heurigen, die mich wiedererkennen. Durch die Show konnte ich auch ein gewaltiges Netzwerk aufbauen. Wir hatten Weinhändler und Top Sommeliers kennen gelernt. Ich bin froh und dankbar, dass ich dabei sein durfte.
Daniel Bayer: Was war dein größtes Learning aus der ganzen Show? Wir klammern die Sache mit den Visitenkarten einfach mal aus (lacht).
Thomas Strommer: Eigentlich war das das Beste, was ich jemals hätte tun könne. Eine kurze Geschichte zu diesem Drehtag. Es ging am Montag nach dem Wochenende zur europäischen Meisterschaft der Sommeliers. Dort waren die Traditionsweinguter und die Top-Sommeliers aus aller Welt. Ich hatte ein hartes Wochenende hinter mir und ich hatte sehr wenig geschlafen. Ich war so fertig. Innerlich. Psychisch. Der Montag ist eigentlich unser Ruhetag. Wie für andere Menschen der Sonntag.
Der Drehtag war aber am Montag, also mussten wir um 6 Uhr aufstehen und nach Wien fahren. Ich musste mir um 7 Uhr morgens einen Smoking in einem Kostümverleih ausleihen. Dann sind wir zu der Veranstaltung gefahren. Dann ging es los. Es war alles ganz neu für mich. Kamera hier, Kamera da. Ich muss hierhin gehen und dorthin gehen. Ich hatte alles gemacht.
Das mit den Visitenkarten war aber Grenzgenial. Ich hätte es nicht besser machen können. Ich lernte dort Menschen aus aller Welt kennen. Alle gaben mir ihre Visitenkarten, aber ich hatte keine. Ich sagte immer als Ausrede: „Ich habe keine Visitenkarten. Wir haben heutzutage Facebook!“ Leo Hillinger fragte mich dann vor der Kamera, ob ich viele Visitenkarten bekommen hatte. Ich sagte: „Ja. Jede Menge. So viele, dass ich sie gar nicht mehr zählen kann.“ Dann fragte er mich, ob ich auch welche ausgeteilt hatte. Ich sagte: „Nein. Ich brauche keine Visitenkarten“. (lacht) Er konnte es nicht fassen. Aber hätte ich Visitenkarten dabei gehabt, hätte niemand darüber gesprochen. Und jetzt redet jeder darüber. Egal wo ich hinkomme. Das war das Beste was mir überhaupt passieren konnte.
Daniel Bayer: Du hast nun eine Menge Erfahrungen gesammelt und den Betrieb auf das nächste Level gehoben. Was sind die nächsten Schritte? Hast du neue Projekte geplant?
Thomas Strommer: Oh ja. Projekte sind mit Sicherheit geplant. Es wird demnächst einen Food- und Wine Market geben. Wir haben die Idee aus Südafrika mitgebracht. Ich kann mir das schon so gut vorstellen. Es wird verschiedene Essensstationen geben und wir werden Wein verkaufen. Die Leute sollen sich richtig wohl fühlen. Essen, Trinken, gut gehen lassen. Das ist der Slogan und das Motto für diesen Tag.
Die Visionen im Weinbau sind es größer zu werden und noch bessere Qualität zu erzeugen. Wir haben noch 2 Hektar Grund dazu gekauft. Wir setzen nächstes Jahr noch 2 Hektar Rebfläche aus. Es ist ein ständiges Wachstum da. Jedes Jahr. Es ist großes Denken da und es geht weiter. Mein Ziel ist es, dass unser Name eine Marke wird. Ich will, dass man unseren Namen in ganz Österreich kennt und hinterher auch international.
Daniel Bayer: Kann man deine Weine auch in Deutschland kaufen?
Thomas Strommer: Ja. Wir haben einen tollen Onlineshop. Dort kann man unkompliziert einkaufen. Die Website heißt: www.strommer.wine und es wird mit DPD geliefert.
Daniel Bayer: Was haben wir hier im Glas lieber Thomas?
Thomas Strommer: Wir trinken jetzt den Syrah 2015. Das war ein großartiger Rotweinjahrgang im Burgenland gewesen. Wir hatten einen heißen Sommer. Syrah steht auf Hitze und Stress. Er will gequält werden. Ausgebaut in 12 Monate französische Eiche. Top gelagert in unserem neuen Barrique-Keller. Syrah passt super ins Burgenland und ist ein toller Cuvée-Partner. In all unseren Cuvées ist Syrah mit drin.
Der Syrah bringt eine extreme Fruchtnote, was sehr spannend ist. Die Fruchtnote kommt mit den Vanillenoten aus dem Barrique. Im Weingarten ist der Syrah sehr kompliziert zu bewirtschaften. Meine ganzen Mitarbeiter sagen: „Bitte keinen Syrah mehr anpflanzen!“ Es ist wirklich zum Verzweifeln im Weingarten. Aber ich liebe diesen Wein.
Daniel Bayer: Gibt es Tätigkeiten die dir sehr gut gefallen, wo dein Herz aufgeht?
Thomas Strommer: Ja, das kann ich dir genau sagen. Ich liebe es einfach Wein zu keltern. Zur Lesezeit und das ganze Jahr über draußen in der Natur zu sein. Mich zu bewegen. Den Rebschnitt mit zu verfolgen. Im Frühjahr die jungen Triebe zu beobachten. Ich bin jeden Tag in den Weingärten und beobachte was dort passiert. Das Schönste ist es die Natur zu beobachten, wie sie gedeiht. Das ist eine unbeschreibliche Faszination.
Daniel Bayer: Gibt es Tätigkeiten die dir gar nicht gefallen?
Thomas Strommer: Es ist immer schwierig. Es hängt davon ab in welcher Größenordnung man sich befindet. Wenn man 2 Hektar bewirtschaftet ist das ein Spaß, aber wenn es dann größer wird, kann man das nicht mehr alleine schaffen. Zum Glück helfen da andere Mitarbeiter. Beim Rebstock putzen oder den Rebschnitt zu machen, braucht man einfach Hilfe. Du stehst bei jedem Rebstock 2-3 Minuten. Das ist sehr zeitaufwendig. Man sieht einfach kein Ende. Richtig leiden konnte ich das auch nie. Deshalb ist es wichtig, dass man Leute hat, die das gut machen.
Daniel Bayer: Das erfordert natürlich viel vertrauen, denn im Weingarten entsteht die Qualität beim späteren Wein.
Thomas Strommer: Man muss schauen, dass man immer eine freie Traubenzone hat. Die Sonne muss gut an die Reben kommen. Man darf die Weingärten nicht verkommen lassen. Wenn du einen top Weingarten hast, dann hast du hinterher leichtes Spiel. Wenn du super Traubenmaterial nach Hause bringst, dann kommt auch hinterher auch ein toller Wein dabei heraus. Top Weingarten, Top Wein. Miserabler Weingarten, Miserabler Wein.
Deshalb ist es wichtig bei der Lese genau zu selektieren. Jede Traube, die nicht gut ist wird aussortiert. Jeder Winzer hat dabei seine eigene Philosophie, deshalb hat auch jeder Winzer seine eigene Handschrift.
Daniel Bayer: Was ist deine Handschrift?
Thomas Strommer: Meine Handschrift ist Qualität. Für mich war es immer ein „no go“ mit Lesemaschinen oder Vollerntern zu arbeiten. Die Trauben müssen schonend in den Weinkeller gebracht werden, damit ich einen guten Wein erzeugen kann.
Daniel Bayer: Ich bin wahnsinnig dankbar dafür, dass ich heute Gast im Weingut Strommer sein durfte. Schaut vorbei auf www.strommer.wine oder auf www.wein-verstehen.de , wo ich bereits einige Beiträge zum Weingut Strommer veröffentlicht hatte. Ich wünsche euch eine gute Zeit und viel Spaß im Glas. Bis zum nächsten mal.