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Schmeckt Bio-Wein anders?
Dem organischen Wein auf der Spur
Montpellier – ein Pflichtbesuch im Januar. Was erstmal nach einem unüblichen Reisemonat für ein mediterranes Städtchen am Mittelmeer klingt, ist in unserem Fall ein besonderes Highlight der Branche. In den letzten Tagen des Monats verwandelt sich die ganze Stadt in ein Fest. Ein Weinfest, um genau zu sein. Die heute größte organische Weinmesse der Welt öffnet ihre Pforten hier bereits zum 31. Mal. Neben den riesengroßen Messehallen verwandelt sich auch die Innenstadt samt Bars, Restaurants und öffentlichen Plätze in eine Bühne für den BIO-Wein.
Millèsime – keine gewöhnliche Weinmesse
Was vor 30 Jahren noch ein freiwilliger Zusammenschluss von einer Handvoll Winzern aus der Region war, ist heute eine Zusammenkunft von über 10.000 Fachbesuchern aus 15 Ländern. 1500 Aussteller präsentieren ihre Bio-Produkte auf einem Messegelände, das sich größenmäßig etwa im Vergleich mit mehreren Fußballfeldern erklären lässt. Es ist schlichtweg riesig und man verläuft sich schon mal beim Schlendern durch die großen Hallen.
Die durch verschiedene Buchstaben und Zahlen gekennzeichneten Durchgänge führen von einer Halle in die nächste. In jeder Halle finden sich hunderte Stände, die durch Nummern und kleine Tiergrafiken gekennzeichnet sind, zur besseren Orientierung. Wer aber glaubt, dass die Stände einer gewissen Einteilung unterliegen, der hat falsch gedacht.
Der große Unterschied zu anderen Weinmessen ist die völlig zufällige Anordnung der Aussteller in den verschiedenen Hallen. Einteilungen nach Ländern sucht man vergebens. Es gibt noch eine weitere Eigenheit: Alle Hersteller erhalten einen exakt identischen Messetisch bzw. Präsentationsfläche für ihre Produkte.
Der Gedanke, die Anordnung der Produzenten dem Zufall zu überlassen verblüfft im ersten Moment. Hinterfragen muss ich dieses Prinzip aber nicht lange. Schon beim ersten Rundgang durch die Halle, zieht es mich an einige Stände, die nicht auf meinem vorbereiteten Plan stehen und ich lerne bereits in den ersten Stunden viele neue Winzer kennen. Es fühlt sich an wie eine Art Entdeckungsreise. Das überzeugt mich.
Südfrankreich – Die Hochburg des Bio-Weins
Für viele ist die Millèsime BIO mittlerweile zur wichtigsten Weinmesse des Jahres geworden. Einige Zusammenkünfte dieser Branche zeichnen sich durch pompöse Stände aus, die teilweise mit immensen Aufwänden verbunden sind und mehr durch gutes Marketing überzeugen. Hier aber spricht in erster Linie das Produkt. Wortwörtlich sogar, denn an manchen Ständen bringen mich meine nicht vorhandenen Französisch-Kenntnisse regelrecht zum Schweigen. Gut, dass der Wein seine eigene Sprache spricht.
Südfrankreich ist mit dem weltweit höchsten Anteil an biologisch arbeitenden Weinbaubetrieben der optimale Austragungsort für dieses Wein-Symposium. Über 80 % der zu verkostenden Weine stammen aus Frankreich. Den ersten Platz belegt die Austragungs-Region Occitanie. Dennoch nimmt nicht nur die Anzahl der internationalen Aussteller jährlich zu, sondern auch das Besucherpublikum ist längst nicht mehr ausschließlich von französischer Sprache geprägt. Händler, Winzer, Sommeliers & Co aus aller Welt treffen sich zum Austausch. Das ist schon etwas ganz Besonderes. Besonders ist allerdings auch das einsilbige Wörtchen, welches die Messe umrahmt: BIO.
Millèsime Bio – Der Leitfaden für eine ökonomische Wein-Zukunft
Bio-Wein, wohl einer der umstrittensten Begriffe der Weinwelt. Eine Online-Umfrage der Community bringt erstaunliche Erkenntnisse. „Was stellst du die unter dem Begriff Bio im Zusammenhang. Mit Wein vor?“ So in etwa lautet die Frage, deren Antworten mich sehr erstaunen. Unter hundert Antworten gab es nahezu hundert komplett verschiedene Antworten. Eine Erkenntnis, dass diese Thematik weniger einem roten Faden, als mehr einer riesigen Spielwiese aus Meinungen und Weltbildern gleicht.
Ohne Zweifel hat jeder eine Vorstellung davon, nach welchen Prinzipien in der biologischen Landwirtschaft gearbeitet wird. Allerdings tauchen immer wieder Begriffe wie Nachhaltigkeit, Biodynamik, Naturwein oder regenerativer Weinbau auf. Sind diese Begriffe Ergänzungen und/oder lassen sie sich mit dem biologisch-organischen Weinbau verbinden?
Dazu habe ich ein Interview mit dem österreichischen Winzer Josef Mantler vom Weingut Mantlerhof geführt.
BIO – Für viele eine Sinnfrage
„Die Bereitschaft, sich mit dem Thema Umwelt auseinanderzusetzen kann sehr viel über die Prinzipien eines Produzenten aussagen und in der Folge zu spannenderen Weinen führen“ meint Joseph. Ich erfahre viel über die biologische Wirtschaftsweise, aber er ist der Meinung, dass zusätzlich zur reinen biologischen Arbeit auch ein holistischer Ansatz gefragt ist und die Zusammenhänge der Natur und ihrer Auswirkung auf die Landwirtschaft einen beachtlichen Einfluss auf die Produktion habe. Eine Wein-Welt ohne Kupfer und flüchtige Säure wäre sein Traum, schmunzelt Joseph.
Ich erkenne, dass der Begriff Bio gesellschaftlich sehr viele Ausprägungen hat. Vom Wohlfühl-Lebensmittel über Wertschätzung gegenüber der Natur und dem Umwelteinfluss, trägt er in der Umsetzung in einigen Fällen auch zu verschiedenen wirtschaftlichen Interessen bei. Das Thema organisch-biologischer Weinbau birgt also großes Diskussionspotenzial und ich freue mich auf einen Austausch und Kommentare zu diesem aktuellen Thema.
Wein aus der Dose – in Zukunft ein Thema?
Die Wogen gehen hoch, als in einer Diskussionsrunde mit der Präsidentin der Millèsime Bio Jeanne Farbe zum Thema Weingebinde das Wort „Dose“ fällt. Viele Getränke werden mittlerweile aus Dosen konsumiert. Bringt man jedoch das Wort Wein und Dose auf einen Tisch, legt sich so manche Stirn in Falten. Wir spielen mit den Worten, Wein direkt aus dem Metallbecher zu trinken. Prompt ploppt ein Argument zur Aromenvielfalt auf. „Natürlich müsste der Wein in ein Weinglas gegeben werden, um ihn genussbereit servieren zu können“ meint Jeanne. Es ginge hier auch nicht um den Genuss direkt aus dem Gebinde, sie macht den Vergleich mit der Bag-In-Box (Ein großer, mit PET eingefasster Karton, der am unteren Ende mit einer Art Zapfhahn versehen ist) aus der auch nicht direkt genossen würde.
Das Problem ist das Gewicht einer Glasflasche. Für den Transport ist sie kaum geeignet, da der damit verbundene CO2 Ausstoß ein erheblicher ist. Ein anderes Gebinde könnte hier deutlich bessere Werte erzielen. In vielen Ländern wich in den letzten 10 Jahren der Naturkork dem Dreh- Glas- oder Kunststoffverschluss. Ich denke, so könnte es auch mit den Glasflaschen passieren. Zumindest was die extra-schweren Glasflaschen angeht. Diese könnten in Zukunft aus dem Weinregal mehr und mehr verschwinden.
Millèsime – BIO öffnet Türen
Nach drei vollen Tagen Millèsime Bio komme ich mit unzähligen Eindrücken und einigen Blasen an den Füßen zurück nach Deutschland. Unglaublich spannende Einblicke eröffnen die Vielfalt, die sich hinter dem Begriff Bio verbergen. Fakt ist, dass der Begriff BIO im Weinberg und seiner Bewirtschaftung anfängt. Aber auch dass er dort noch lange nicht aufhört. Im Gegenteil, Bio ist ein Begriff, der sich weit über den Weinbau hinausbewegt und von der Traube über den Wein, seinen Ausbau und die Verpackung hinweg in unzählige Faktoren aufgliedert.
Inspiriert von unzähligen Gesprächen, wertvollen Verkostungen und Vorträgen rückt für mich die Bandbreite des biologischen Weinbaus auf eine ganz neue Ebene. Mein Besuch auf der Millèsime Bio war auch dieses Jahr eine absolute Bereicherung. Ich freue mich auf den gemeinsamen Austausch und viele Kommentare zu dieser Spannenden Thematik.