Laue Sommerabende, köstliches Essen und dazu edlen Wein – dieses Kino habe ich im Kopf, wenn ich an Frankreich denke. Ach ja, und natürlich haufenweise Baguette, Schnecken und Froschschenkel. Das alles bringt mich einerseits zum Schmunzeln, andererseits eröffnet sich in mir ein großes Mysterium in Sachen Wein.
Es muss wohl die Sprachbarriere sein, die uns davon abhält, das berühmteste Weinland der Welt zu entdecken. Neben unaussprechbaren Namen von Weingütern ist es in Frankreich keine Seltenheit, dass man auf Weinflaschen weder Rebsorten noch andere nützliche Hinweise auf Weinetiketten findet. Meist finden sich nur Namen von Orten und Appellationen auf den Flaschen. Das macht die Suche nach einem passenden Wein oft zu einer echten Herausforderung.
Inhaltsverzeichnis
Genuss am Fluss – eine Reise entlang der Loire
Ich reise deshalb in eine der schönsten und vor allem aber interessantesten Weinregionen im Herzen des Landes, um diese flüssigen Schätze zu entdecken und für Weinliebhaber zu entschlüsseln. Von französischen Zentralmassiv im Inland bis an die Küste des Atlantiks im Westen des Landes erstreckt sich über 800 Kilometer eine der vielseitigsten Weinrouten des Landes. Mit 1000 Kilometern Länge, ist die Loire auch der längste Fluss Frankreichs. An ihr reihen sich mitunter einige der schönsten Weinregionen des Landes, die ich auf meiner Weinreise nun mal etwas genauer unter die Lupe nehme.
3 Weinbau Zonen – Eine Reise durch die Vielfalt der Region
In Fachlektüren werden Weinregionen oft von Westen nach Osten aufgelistet und beschrieben. In diesem Fall rollen wir das Ganze mal vom Inland im Osten, entlang des Flusses bis zur Atlantikküste auf. Es gibt zwei Appellationen, die für die gesamte Region gelten: Crémant de Loire AOP für Schaumweine und Rosé de Loire AOP für Roséweine. Ein absoluter Vorreiter ist die französische Weinregion gesamt aber auch in Punkto Nachhaltigkeit. Eine hohe Dichte an biologisch und biodynamisch arbeitenden Winzern bringen nicht nur neuen Wind in das Traditionsgebiet, sondern steigern auch maßgeblich die Beliebtheit der Weine außerhalb der Landesgrenzen.
Touraine
Meine Reise startet in Tours, ein malerisches Städtchen mitten in der Touraine. Hier treffe ich Winzer aus verschiedenen Orten und Subzonen und erfahre, dass das Mikroklima neben den verschiedenen Böden hier eine ganz besondere Rolle spielt. Patricia & Charlotte Denis von der Domaine de la Renaudie erklären mir allerhand über die verschiedenen Klimaeinflüsse und auch über die kleine Appellation Touraine Chenonceaux.
Hier profitieren die Reben von der exponierten Lage entlang des Flusses Cher und den wärmenden Einflüssen des Golfstromes. Kleine Beeren und eine natürliche Selektion machen die Weine in ihren leicht reiferen und kräftigeren Stilen ganz besonders. Diese sind fruchtbetont und sehr ausbalanciert in Säure und Tannin. In vielen Fällen werden die Weine klassisch und ohne zu viel Holzeinfluss ausgebaut. Die roten Cuvées werden hauptsächlich aus Malbec gekeltert. Dieser wird hier Cot genannt und kommt überwiegend als Cuvée mit Cabernet Franc auf die Flasche.
Vouvray
Bei einem kleinen Abstecher treffe ich Julien Pinon in der Domaine François & Julien Pinon. Immer noch in Touraine, aber etwas westlicher in einer anderen Appellation namens Vouvray werden ausschließlich Weißweine gekeltert. Er arbeitet mit nur einer einzigen Rebsorte und sie ist, wie er sagt eine der spannendsten überhaupt. In Deutschland kommt sie eigentlich gar nicht vor, deshalb bin ich sehr angetan nun mehr zu erfahren. Die Rede ist von Chenin Blanc, eine extrem vielfältige Rebsorte, die ihre Heimat hier in der Loire hat.
Auf den verschiedenen Böden aus schwarzem Feuerstein (Silex), Tuffstein und Braunem Lehm entstehen grundverschiedene Weine. Von zugänglich weich bis straff mineralisch entstehen einzigartige Weine in Geschmack und Charakter. Ich bin fasziniert von den verschiedenen Ausprägungen dieser Rebsorte. Auch in den Stilen gibt es von Schaumwein über Weißwein bis hin zu Dessertweinen alles aus Chenin Blanc in der Appellation Vouvray. Der traditionelle Stil ist tatsächlich ein halbtrockener Wein, der übrigens sehr gut als Speisenbegleiter zu Vorspeisen und Salatgerichten passt. Das sollte man unbedingt mal probiert haben.
Chinon
Meine Reise verläuft an das westliche Ende der Touraine und ich komme in eine der berühmtesten Rotwein- Appellationen der Region. In Chinon wird hauptsächlich Cabernet Franc auf verschiedenen Bodentypen angebaut. Von tuffigem Kalkstein über tiefgründigen Lehm bis zu den schlottrigen Ausläufen des Flusses entstehen auch in dieser Region sehr unterschiedliche Weincharaktere.
Einerseits entstehen hier feinfruchtige, etwas leichtere Rotweine, die unkompliziert und sehr erfrischend leicht gekühlt im Sommer als Grill-Helden brillieren. Andererseits kommen aber von den Kalksteinlagen strukturierte, engmaschige und vor allem langlebige Cabernet Francs, die sich im Geschmack mit den großen Weinen des Landes vergleichen lassen. Im Château de la Grille erfahre ich viel über die verschiedenen Weinstile und erhalte spannende Insights über eine nachhaltige Form der Bewirtschaftung namens „Regenerativer Weinbau“. Hier wird der genaue Nährstoffgehalt des Bodens analysiert, mit natürlicher Bepflanzung ausbalanciert und auf dieser Weise regeneriert.
[Fact:] Cabernet Franc ist eine sehr spannende Rebsorte und nicht ganz leicht im Anbau. Neben der physiologischen Reife der Traube muss man auch ganz genau auf die Reife der Kerne und Stile achten. Diese „phenolische Reife“ entscheidet maßgeblich darüber, ob der Wein am Ende strukturiert und straff oder rustikal und unrund schmeckt.
Anjou-Saumur
Nächster Halt: Saumur! Eine östlich gelegene Subregion der Weinbauzone Anjou-Saumur. Wohl eine der vielseitigsten der Loire. Hier im Herzen der Region entstehen mitunter die besten Schaumweine des Landes. Natürlich ist auch der Rebsorten-Popstar Chenin Blanc hier stark vertreten. Hier nennt man ihn allerdings Pineau de la Loire. Landschafts- und besonders Bodentechnisch gibt es, wie in den Nachbarszonen auch eine Menge zu entdeckten. Von weichen Kreideböden über Schieferplatten bis hin zu Tuffsteinböden ist hier eine große Palette an Weinen und Geschmäckern zu vermuten. An der Coteaux du Layon findet man in vielen Parzellen auch den berühmten Silex-Feuersteinboden.
In der Domaine de la Paleine treffe ich-Louis Bernet, der als Quereinsteiger aus dem Management nun seinen Traum als Weinmacher in die Realität umsetzt. Ich erfahre viel über die feinen Rotweine aus Cabernet Franc, die im Stil sehr viel eleganter sind, als wir diese hier Deutschland kennen. Saftig mit glasklarer Frucht, das könnte sich absolut gut als Mittagswein eigenen. Zum ersten Mal höre ich von einer kleinen, relativ neuen Appellation Namens Haut-Poitou, die unter den Weinmachern auch „Gold-Plätzchen“ bekannt ist. Hier entstehen neben geschliffenen Rotweinen auch Weißweine aus Sauvignon Blanc frische Roséweine. Rosé macht hier übrigens einen sehr großen Anteil an der Gesamtproduktion aus und wird überwiegend als nationaler Speisebegleiter getrunken.
Nantais
Auch wenn meine Reise dieses Mal bereits in Saumur endet, gibt es doch noch ein paar Worte und Infos zum westlichsten der drei Loire-Bereiche. Wohl am stärksten vom Atlantik geprägt herrscht hier ein recht maritimes Klima. Als unter dem Kurznamen Nantais bekannte Region ist diese vor allem für einen bestimmten Wein berühmt. Die aus dem Burgund stammende Rebsorte Melon Blanc wird hier Muscadet genannt und kommt als unkompliziert frischer Trinkwein auf den Tisch. Ganz anders als die fast namensgleiche Rebsorte Muscat, spielt dieser eben nicht mit seinem ausgeprägten Aroma und Duft. Sein besonderer Geschmack, der eben nie zu fruchtig oder zu üppig ist, zeigt sich in einem delikaten Stil. Eine Besonderheit ist seine oftmals spezielle Lagerung auf der Hefe (Sur lie), die ihm noch mehr Komplexität und Potential verleiht. Der Wein bleibt hier vor der Abfüllung noch einige Monate im Tank, wo die Hefereste nach der Gärung nicht sofort entfernt werden, sondern mit im Tank verbleiben und den Weinen ihren leicht zitronigen aber niemals zu duftigen Charakter verleihen.
Muscadet Sèvre-et-Maine AOP ist die größte und traditionsreichste Appellation für Muscadet. Mit 9000 Hektar ist sie die Kernzone des berühmten Loire Shooting-Stars. Die Reben wachsen auf Tonböden, teils Schiefer- sowie Granithängen und reihen sich an den zwei Flüssen Sèvre Nantaise und Maine, woher sich auch der Name der Appellation herleiten lässt. Für mich einer der trendigsten Weine der gesamten Weinbauregion, da er mit seinem delikaten, aber dennoch vielschichtigen Geschmack einer der eleganten Garde ist. Seidig, mit guter Länge und frischem Trunk besticht er mit tollem Trinkfluss und bringt Spaß ins Glas, nicht nur für Weinprofis. Ganz im Gegenteil lädt er auch junge Weinfreunde zum Genuss!
Fazit – warum die Loire immer wieder begeistert
Eines kann ich gleich vorweg versprechen: Dies wird definitiv nicht meine letzte Reise an die Loire gewesen sein. Zwischen mineralischem Sauvignon Blanc und eleganten Cabernet Francs eröffnet sich mir jedes Mal aufs Neue eine noch größere Welt an Geschmäckern und Genüssen. Seien es die verschiedenen Böden, welche die Weine total verschieden schmecken lassen, oder auch die erfrischenden Schaumweine in ihrem einzigartigen Stil.
Es ist und bleibt großartig, die Loire peu à peu zu erschmecken und zu verkosten. Zum nächsten Besuch sollte es noch einen Deep Dive in die Boden- und Geschmacksvielfalt der Schaumweine oder die total Unbekannten, aber in der Weinszene legendären Süßweine aus Chenin Blanc geben. Lass mir gerne einen Kommentar oder eine Nachricht da, was du von den Weinen der Loire denkst oder wenn du Tipps hast. Ich freue mich und wir lesen uns bald wieder.