„Wer hipp ist, trinkt Weine aus dem Médoc.“ Halt stopp, Médoc? Der Name sagt mir etwas. War das nicht diese Region in Südwestfrankreich, von der einige der exklusivsten Weine Frankreichs stammen? Ein leicht ehrfürchtiges Gefühl baut sich in mir auf, während sich die Etiketten der großen Châteaus vor meinen Augen abzeichnen. Leider keine Alltagsweine, denke ich und schweife wieder ab. Doch halt. Hier in Berlin werde ich eines Besseren belehrt. Angekommen treffe ich mich mit Winzerin Fabienne vom Weingut La Branne AOC Médoc. Wir machen uns auf den Weg in Jacques‘ Wein Depot am Prenzlauer Berg, wo ich verschiedene Médoc-Weine ins Glas bekomme. Dunkelfruchtig, gespickt mit feinen Kräutern und einer dezenten Würze duftet der erste Wein, sehr einladend. Auch im Geschmack, nicht zu wuchtig, ziemlich straff und am Ende wieder schöne Würznoten. Ich bin begeistert und bekomme ganz neue Eindrücke über diese traditionsreiche Weinregion.

Médoc

Médoc – Saftige Weine des Südens

Die Reise beginnt und ich bekomme Einblicke in die südfranzösische Weinbauregion. Nahe am atlantischen Ozean zieht sich ein zehn Kilometer breiter Küstenstreifen entlang der linken Uferseite des berühmten Gironde-Flusses, der am nördlichen Rand des Médoc entlang fließt. Kühl-maritimes Klima ermöglicht den weltbekannten Bordeaux-Rebsorten Cabernet Sauvignon, Merlot & Co optimale Bedingungen. Die Böden sind geprägt von großen Kieselsteinen (engl. gravel), welche die Hitze, die über den Tag entsteht, abspeichern und am Abend bzw. in der Nacht an die Reben abgeben. Hinzu kommen Kalkgesteine, Lehm und andere Bodenformationen. Durch diese entstehen innerhalb der Region zahlreiche verschiedene Weinstile. 

[Fakt: Die Appellationen der Medoc-Weine beziehen sich entweder auf eine einzelne Kommunale Appellation oder eine Teilregion. So werden auch die verschiedenen Bodenformationen und die daraus entstehenden Weinstile den einzelnen Zonen zugeordnet.]

Unser nächster Halt in Berlin ist die Markthalle Neun. Hier gibt es so ziemlich alles, was das Genuss-Herz höherschlagen lässt. Bei diesem riesengroßen Angebot an frischem Gemüse, Obst, Fisch, Fleisch und anderen Spezialitäten bekommt man direkt Lust auf gutes Essen und ein feines Glas Wein. In einer der zwei gut bestückten Weinbars gibt es ein weiteres Gläschen Médoc, zum Essen nun allerdings etwas strukturierter mit mehr Rückgrat und Zug. Die Saftigkeit und der Trinkfluss fehlen aber keineswegs und der Wein trinkt sich auch bei knapp 30 Grad Außentemperatur außerordentlich gut. Fazit: Dieser Rotwein trinkt sich nicht nur in der kühlen Jahreszeit ausgezeichnet. 

Der rote Faden – Cabernet ist King!

Daniel Bayer

Cabernet Sauvignon dominiert als klassische Bordeaux-Rebsorte überwiegend die roten Cuvées des Médoc. Mit seiner geradlinigen, kräftigen Charakteristik bringt er viel Struktur, aber auch Präzision und Druck in die Weine. Dazu gesellt sich der powervolle, durchaus etwas rundere Merlot, der den Wein um etwas Fülle und Vollmundigkeit ergänzt. Würze, Struktur und Kraft bringen auch Rebsorten wie Cabernet Franc oder zu kleinen Anteilen Petit Verdot. Welche Rebsorten in einem Wein verschnitten bzw. assembliert werden, hängt immer von Stil und Erzeuger ab. Auch in welchen Anteilen die verschiedenen Rebsorten am Ende in den Wein kommen ist sehr unterschiedlich, wobei der Cabernet Sauvignon, wie es am linken Ufer der Gironde üblich ist, in den meisten Fällen mit über 50 % die Cuvée des klassischen Médoc-Weines dominiert. 

[Fakt: Die Rebsorte Cabernet Sauvignon hat ihren Ursprung im Bordeaux, wo er vermutlich irgendwann vor Mitte des 18. Jahrhunderts aus einer natürlichen Kreuzung aus Cabernet Franc und Sauvignon Blanc entstanden ist.]

Apropos Fluss, ein weiterer Location-Wechsel bringt uns auf die Spree. Auf einem schicken Hausboot gibt es erst mal ein Dutzend frische Austern. Herrlich. Dazu bestimmt ein Gläschen Champ… Nein, knapp daneben. Médoc die Dritte. Und es ist sagenhaft, auch nach drei Stationen Rotwein bleibt jeder Wein für sich saftig und animierend. Selten hat mir ein Rotwein-Tasting so viel Spaß und vor allem kein Gefühl von Müdigkeit gebracht. Rotweine für den Sommer, ein Trend den ich mir gerne aus nächster Nähe anschaue. 

Auf den Spuren von Cabernet & Co – Ab ins Médoc!

Nach einer erlebnisreichen Genuss-Reise durch Berlin mache ich mich auf in die Heimat der trendigen Rotweine, um die Region und ihre spannenden Weine noch etwas besser kennenzulernen. Die 8 Médoc-Appellationen umfassen die 2 sub-regionalen Appellationen (Médoc und Haut-Médoc), sowie die 6 kommunalen Appellationen (Saint-Estèphe, Pauillac, Saint-Julien, Moulis en Médoc, Listrac-Médoc und Margaux).

[Fakt: Der Name „Linkes Ufer“ unter dem das Médoc ebenfalls bekannt ist, leitet sich von seiner Lage ab, die Zone erstreckt sich über den linken Uferbereich des Gironde-Flusses, der die Region Bordeaux in 2 Teilbereiche spaltet: das linke und das rechte Ufer.]

Herzlich empfangen werde ich im ersten Weingut Château Clarke. Hier treffe ich Fabrice und Ramialac, die mich durch ihre wunderschönen, sehr modernen Keller führen. Die Hallen sind sehr groß und alles wirkt sehr ästhetisch. Die Weinberge sind im Gegensatz zu vielen deutschen Weingärten sehr flach und weitläufig. Auch die produzierte Menge und die Größe der Betriebe unterscheidet sich stark von den deutschen Weinbauproduzenten. Am Nachmittag besuche ich das Château Micalet, wo ich eine spannende Verkostung von einigen „Cru Artisans“ machen darf.

Die Weinqualitäten in der Region Médoc reichen von einfachen fruchtbetonten Rotweinen bis hin zu hochkomplexen, lagerfähigen Weinriesen. Auch die Weinbaubetriebe unterscheiden sich in Art und Umfang erheblich. Wir besuchten neben kleineren und mittelgroßen Weingütern auch eine der größten Kooperativen des Landes: Uni-Medoc, wo jährlich bis zu drei Millionen Flaschen die Produktionshallen verlassen, zumeist einfachere Qualitäten, die sich teilweise auch in den Regalen deutscher Supermärkte wiederfinden. 

Ich besuche auch Fabienne auf ihrem Weingut La Branne AOC Médoc und bekomme Einblicke in das Familienweingut. Auf rund 30 Hektar werden die drei roten Rebsorten Cabernet Sauvignon, Merlot und Petit Verdot. Auf drei verschiedenen Böden werden hier im nördlichen Teil der Médoc die Trauben für den Château La Branne kultiviert. Ein ganz besonderer Weingarten findet sich rund um das „Lighthouse“ – ein wunderschöner alter Leuchtturm, wo durch die oft starken Winde ein ganz besonderes Mikroklima herrscht. Bei unserem Spaziergang durch die Rebzeilen entdecke ich bereits die ersten Beeren, die sich rötlich verfärben. Zurück am Weingut verkosten wir verschiedene Jahrgänge des La Branne und ich erfahre spannende Insights über den Anbau und auch über die Jahrgänge des nördlichen Médoc. Mit Sohn Vincent steht die nächste Generation bereits in den Startlöchern, worauf Fabienne und ihr Mann sehr stolz sind. 

Winzerin Fabienne

Ein weiteres Highlight auf meiner Reise durch das Médoc war der Besuch bei Château La Tour de By. Die Verkostung der unterschiedlichen Weine war nicht nur spannend, sondern äußerst lehrreich. Neben Weinen aus Beton-Eiern, die bereits in ihrer Jugend sehr zugänglich und trinkfreudig sind haben wir auch mehrere Jahrgänge des Château La Tour de By probiert. Der finessenreiche und doch perfekt strukturierte 2014 bleibt mir in besonderer Erinnerung. Auch PIWI-Rebsorten werden seit einigen Jahren hier auf dem Weingut kultiviert.

Im Norden der Médoc 

Das schönste an Weinverkostungen, die direkt im Weingut stattfinden, ist dass man sich mit den Winzern und Weinmachern persönlich austauschen kann und Informationen zu Philosophie, Passion und Weinstil aus erster Hand erfährt. Am Weingut Château Le Reysse/Lassus erlebe ich ein absolutes Highlight meiner Reise ins Médoc. Wir verkosten neben aktuellen Jahrgängen auch einige reife Weine. Château Lassus eröffnet die Verkostung, der als frischer Wein im aktuellen Jahrgang 2019 super saftig und zugänglich schmeckt. Château Clos de Moulin wächst auf einem reinen Kalkboden und zeigt sich dadurch etwas fester und engmaschiger im Tannin. Château Reysse ist ein von Cabernet Sauvignon geprägter Wein, mit kräftigem Gerüst, der dadurch ein großes Reifepotential aufweist.

Ohne Frage ist das Zusammenführen verschiedener Rebsorten in einer Cuvée alles andere als nur „Gepantsche“ wie viele es nennen. Es ist ganz im Gegenteil die hohe Kunst, die besten Charaktereigenschaften der jeweiligen Rebsorten perfekt aufeinander abzustimmen. Daraus entstehen charakterstarke Weine mit großem Genuss-Potenzial. 

Mein letzter Stopp ist das Château Marquis d’Alesme. Als sich die Tore öffnen und ich eintrete setzt ein kurzer Moment der Sprachlosigkeit ein. Die atemberaubende Ästhetik von Keller und Verkostungsräumen ist absolut fesselnd. Mit modernsten Technologien im Keller und viel Präzision und Hingabe im Weingarten entsteht hier ein absoluter Top-Wein. Engmaschig, präzise und geradlinig präsentieren sich der Château Labegorce und der Château Marquis d’Alesme im Glas, was für eine Verkostung! Ein wahrlich denkwürdiger Ausklang meiner Reise. 

Fazit

Das Médoc ist weltberühmt für seine großen Weine, die über Jahrzehnte in gut bestückten Weinkellern heranreifen können, jedoch hat die Bordelaiser Weinbauregion noch ganz andere Weinstile zu bieten, die alles andere als üppig, komplex und teuer sind. Frische, saftige Cuvées dominieren die Weinszene, die Sogar im Sommer genossen werden können. Egal ob zur Grill-Party oder einfach nur solo in gemütlicher Runde, Médoc-Weine finden zurecht immer mehr Platz in Deutschlands Genuss-Runden. 


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