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Weinland Schweiz – Ein unbeschriebenes Blatt?
Schweizer Wein – hat man wohl schon einmal gehört. Aber wenn man darüber nachdenkt, hat man ihn nicht wirklich oft im Glas. Eigentlich verrückt, wenn man weiß, dass die Schweiz auf eine über 1000 Jahre alte Weingeschichte zurückblickt. Sie hat als Weinland auch wirklich etwas zu bieten. Über 250 unterschiedliche Rebsorten. Eine reiche Palette an Weinstilen, ob Rot-, Weiß- oder Schaumwein, hier fehlt es an nichts.
Auch qualitativ steht die Schweiz anderen Weinbauländern in nichts nach. Große Weine, die weit über die Landesgrenzen hinaus heiß begehrt und kaum verfügbar sind, zieren Weinkarten der Top-Gastronomie. Ohne Frage lassen diese Fakten auf ein großartiges Weinland schließen. Doch warum gibt es dennoch kaum Gelegenheiten für den Genuss von Schweizer Weinen?
Von alpin bis mediterran: Weinbau in der Schweiz
Als zweitgebirgigstes Land Europas ist der Weinbau hier alles andere als industriegeprägt. Tradition und Handarbeit prägen die Weinkultur sehr stark. In unterschiedlichen Höhenlagen von 230 bis 1.100 Metern herrschen sehr unterschiedliche Temperaturen. Deutlich kontinental geprägt bringen hohe Tag- und Nachtschwankungen aromareiche Weine hervor mit gutem Säuregerüst.
Trotzdem gibt es innerhalb des Landes große Unterschiede, was das Klima angeht. In Zürich beispielsweise herrschen mit einer Durchschnittstemperatur von nur 13,4 Grad alpenländische Verhältnisse. In Genf hingegen lassen die unter 700 mm Regen eher auf mediterran geprägte Verhältnisse schließen.
Podcast mit Yvonne Heistermann: Jetzt anhören
Für dieses Gespräch habe ich Yvonne Heistermann eingeladen. Ich habe sie auf einer Pressereise in die französischsprachige Schweiz kennengelernt. Wir waren gemeinsam in Lausanne am Genfer See, der Stadt mit den meisten Weinbergen in der Schweiz.
Yvonne Heistermann ist Präsidentin der Sommelier-Union Deutschland und hat in den vergangenen Jahren zahlreiche Mitglieder der Sommelier-Union Deutschland an den Niederlassungen der Deutschen Wein- und Sommelierschule sowie an mehreren Hotelfachschulen ausgebildet. Ihre Fachgebiete als Sommelière sind neben Champagner insbesondere Weine aus der Schweiz, Deutschland und Spanien. In diesem Kontext ist sie offizielle Botschafterin für den Chasselas und die Schweizer Weine.
Welche Schweizer Weine gibt es: Die Anbaugebiete im Überblick
Die Schweiz teilt sich als Weinland in 6 Anbaugebiete. Das Südschweizer Wallis (Valais) ist das größte Gebiet und macht rund ein Drittel des gesamten Weinbaus des Landes aus. Die Weinberge erstrecken sich entlang der Rhône bis hin zur französischen Grenze. Manche dieser Weingärten zählen zu den steilsten Europas.
Der Weinberg ‚Riebe‘ in Visperterminen im Oberwallis liegt sogar auf 1’100 Metern und gilt in Europa als einer der höchsten überhaupt. Rund 60 verschiedene Rebsorten werden hier angebaut, darunter auch etliche autochthone Sorten, die hier auch als ‚Alte Gewächse‘ bezeichnet werden. Selbst im Inland zählen diese Weine aber als recht unbekannt. Sorten wie Pinot Noir, Gamay, Silvaner, und Chasselas ([Schassla] ausgesprochen, in Deutschland als Gutedel bekannt) dominieren die Anbauzone.
In der Waadt (Vaud) als zweitgrößtes Anbaugebiet dominiert Chasselas als Sorte ganz klar die Region. Die Weine des Waadtlands sind bekannt für ihre Frische und Eleganz.
Die Deutschschweiz zieht sich über das Mittelland, die Nordwestschweiz, die Ostschweiz, die Zentralschweiz und über Teile der Alpen. Sie deckt mit 16 Kantonen flächenmäßig zwei Drittel des Landes ab. Hier wird rund ein Viertel der Schweizer Weine gekeltert. Die Weine der Deutschschweiz sind durch ihre Fruchtigkeit und ihr gutes Preis-Leistungs-Verhältnis geprägt. Mit über 80 % Rotweinen steht der Fokus klar. Pinot Noir hält diesem Ort die Fahne. Aber auch Müller-Thurgau und einige interessante Neuzüchtungen spielen hier eine wesentliche Rolle.
In Genf wird es schon etwas kleinstrukturierter, was den Weinbau angeht. Rund 10 % der Gesamtfläche kommt aus der westlichsten Anbauzone. Die Weine des Genfersees sind geprägt durch ihre mineralische Note. Vom südlichen Ende des Genfer Sees bis hin zum rechten Rhône-Ufer an der französischen Grenze wird hauptsächlich Pinot Noir, Gamay und Chasselas (der hier Perlan genannt wird) angebaut. Genf war übrigens die erste Region, die 1988 eine AOC-Klassifizierung erhielt.
Im Tessin schlagen die Uhren etwas anders. Hier dominiert der Merlot als rote Rebsorte. Als südlichster Kanton der Schweiz ist das Klima deutlich mediterraner als in den anderen Regionen. Die recht hohe Niederschlagsmenge könnte fast an eine Ähnlichkeit zur österreichischen Steiermark erinnern. Eine Besonderheit der Region sind wohl die dort angebauten Hybrid-Reben aus Isabella, Clinton und Noah gezüchteten amerikanischen Wildreben. Hier darf man sich geschmacklich allerdings nicht einen klassischen Weingeschmack vorstellen. Vielmehr gelten diese Sorten als eher untypisch, jedoch reizvolle Sorten, die sehr unkonventionelle Weinstile hervorbringen.
Das Drei-Seen-Land als kleinstes der sechs Weinbaugebieten erstreckt sich über 4 Kantone. Die Weinberge finden sich überwiegend an den Jura-Seen Bielersee, Murtensee und Neuenburger See, welche wie viele Seen als Klimaregulatoren für den Weinbau fungieren. Hier regiert wiederum der Pinot Noir als Rebsorte, dicht gefolgt von der weißen Parade-Sorte Chasselas.
Ein verstecktes Juwel, über das nicht viel gesprochen wird, ist die Appellation Vully im Kanton Neuenburg. Sie ist eine weitere Appellation in der Schweiz, die nach dem AOC-System zertifiziert ist. Sie umfasst die steilen Terrassenlagen am Südufer des Neuenburger Sees. Die Hauptrebsorte ist Chasselas, die hier besonders aromatisch und elegant gedeiht.
Tipp: Eine Sache, die in der Schweiz oftmals für Verwirrung sorgt, ist die unübliche Gesetzeslage. Während in den meisten Ländern der EU-Wein nach dem dreistufigen Verfahren klassifiziert wird, sind hier zu Lande ca. 95 % der Weine AOC-Klassifiziert. Das heißt hier definiert sich unumstößlich Qualität vor Quantität.
Schweizer Wein: Klein, aber fein
Mit unter 15.000 Hektar Rebfläche zählt die Genuss-Hochburg nicht zu den größten Weinbauländern Europas. Tatsächlich ist es nur ein Bruchteil der Fläche im Vergleich zu benachbarten Weingiganten wie Frankreich, Italien oder Spanien. Für die Schweizer selbst hat der Weinbau allerdings einen sehr hohen Stellenwert und nahezu alles davon wird im Inland getrunken. Gerade einmal 1 % der Weine schaffen es über die Landesgrenzen hinaus. Klingt nach einem Hauch von nichts und klärt wohl den Mangel an Schweizer Wein auf deutschen Weinkarten. Nichtsdestotrotz lässt die große Vielfalt und das hohe Qualitätsniveau so manches Wein-Herz höherschlagen. Wo immer es möglich ist, sollte man in jedem Fall zu einer Flasche Schweizer Genuss-Elixier greifen.
Weinland Schweiz: 10 Facts, die du kennen solltest! 🇨🇭🍾
- Insgesamt gibt es 6 Weinanbauregionen in der Schweiz.
- Über 250 verschiedene Rebsorten wachsen in der Schweiz.
- Das Wallis ist die größte Weinanbauregion der Schweiz.
- 15 % des Schweizer Weins stammt aus ökologisch zertifizierten Weinbergen.
- Chasselas, auch als „Fendant“ bekannt, ist eine weiße Rebsorte.
- Der meistgetrunkene Wein in der Schweiz ist der Chasselas.
- Die Schweiz hat eine Gesamtrebfläche von 15.000 Hektar, vergleichbar mit dem deutschen Weinanbaugebiet Baden.
- Der Schweizer Weinbau macht etwa 0,2 % der weltweiten Weinproduktion aus.
- Zu den häufigsten Schweizer Rotweinen zählen Merlot, Gamay und Spätburgunder. 🍷
- Für original Schweizer Raclette und Käsefondue eignet sich Fendant bzw. Chasselas am besten.