Die Kellerei Tramin hat im Jahr 2017 erstmals ihren Top-Wein „Epokale“ auf den Markt gebracht. Das Besondere: Die Flaschen durften zuvor 7 Jahre in einem Hochgebirgsstollen reifen. Damals bekam der erste Jahrgang 2009 auf Anhieb die höchste Punktzahl von Robert Parker’s Wine Advocate und heimste damit die bislang einzigen 100 Parker Punkte für einen italienischen Weißwein ein. Ein historischer Moment nicht nur für Südtirol, sondern für ganz Italien.
Nun wurde der Jahrgang 2015 aus dem Stollen geborgen, wozu nur eine Handvoll ausgewählter Journalisten aus der ganzen Welt eingeladen wurden. Ich hatte das Privileg mit dabei zu sein und zum höchsten Bergwerkstollen Europas zu fahren, den Wein zu bergen und in einer sagenhaften EPOKALE-VERTIKALE zu verkosten.
Gewürztraminer: Tramin befindet sich südlich des Kalterer Sees und darf als Wiege des Gewürztraminers bezeichnet werden. Der „Traminer“ zählt zu den ältesten Sorten der Welt und war schon vor etwa 1.000 Jahren in und um Tramin beheimatet. Die Trauben des Top-Crus wachsen an den Hängen der renommierten Gewürztraminer Lage auf 450 Meter Meereshöhe. Lässt man den Blick etwas schweifen erkennt man in der Ferne die Gipfel des Mendelgebirges.
Inhaltsverzeichnis
450 Meter hohe Weinhänge – Hier wachsen die Trauben des Epokale
Zwei der ältesten Anlagen rund um den Nussbaumer Hof in der Lage Söll, liefern die wertvollen Trauben für den Top-Wein. Die Lage zählt zur besten Traminer-Lage in ganz Südtirol und befindet sich auf rund 450 Metern Seehöhe. Dabei wurzeln die bis zu 30 Jahre alten Reben in Lehm und kalkhaltigem Schotter. Außerdem ist der Boden mit felsigem Porphyr-Vulkangestein und Kies durchzogen. Damit der Wein genügend Spannung und Säure entwickeln kann, sorgen die kühlen Fallwinde des Mendelkamms für kalte Nächte. Am Tag verwöhnt die Sonne mit mediterraner Wärme die Rebstöcke. Dadurch entstehen extreme Temperaturschwankungen, die es den Trauben erlauben eine frische und fruchtige Aromatik auszubilden.
Die Trauben wurden selektiv und sehr sorgfältig mit Kontrolle jeder einzelnen Beere von Hand verlesen. Bevor die Trauben schonend abgepresst wurden, erfolgte eine kurze Maischestandzeit bei niedriger Temperatur. Danach erfolgte die Vergärung über vier Wochen bei einer konstanten Temperatur von 18 °C. Zum Schluss wurde der Wein in einen Edelstahltank umgefüllt, wo er für weitere acht Monate auf der Feinhefe verweilte.
Tipp: Der vulkanische Porphyr bringt den Weinen eine feine Mineralik und Eleganz, die sich oft erst im Alter zeigt. Besonders auffällig wird dieses Spiel bei gereiften Weinen.
Tipp: Weine die lange auf der Hefe lagen, profitieren von komplexeren Aromen, einer erhöhten Lagerfähigkeit und einem volleren Mundgefühl. Die Weine wirken dadurch voller, cremiger und angenehmer am Gaumen.
In den Tiefen des Berges – Hier reift der Top-Traminer
Über eine schmale, unbefestigte Straße erreicht man den Eingang des Poschhausstollens auf 2.000 Meter Seehöhe am Schneeberg. Mit dem Auto kommt man nur wenige Monate im Sommer direkt zu einem der höchstgelegenen Bergwerke Europas. In der restlichen Zeit regieren Schnee und Eis die Zufahrtsstraße und machen einen Besuch beinahe unmöglich.
Über 800 Jahre wurde im Poschhausstollen Bergbau betrieben. Erst vor knapp 37 Jahren wurde der Abbau eingestellt, weshalb die Bergwerksanlage noch heute vollständig erhalten geblieben ist. Wie dort seit dem Mittelalter mit Schlägel und Eisen gearbeitet wurde, kann man sich heute im Südtiroler Bergbaumuseum ansehen.
Der Weg zu den Weinen erinnert an eine Fahrt durch die mystischen Schatzkammern der Gringotts Zaubererbank aus Harry Potter. In den Stollen sind schmale Bahngleise eingelassen, auf denen kleine Karren die Weinfreunde vier Kilometer tief durch ein Labyrinth von Abzweigungen zum verborgenen Flaschendepot bringen.
Dort ruhen die Flaschen ordentlich geschlichtet in Gitterboxen hinter einem eisernen Tor. Absolute Finsternis und Totensille. Kein Lichtstrahl oder Ton erreicht den Lagerplatz. Selbst im heißen Sommer liegt die Temperatur bei konstanten 11 °C. Und weil die Luftfeuchtigkeit bei rund 90 Prozent liegt fühlt es sich an, als läge sie nur wenige Grade über dem Gefrierpunkt. Es ist zapfig kalt.
Kellerei Tramin: Die Cantina Tramin wurde 1898 gegründet und ist heute eine der ältesten Kellereien in ganz Südtirol. 300 Produzenten arbeiten gemeinsam und bewirtschaften rund 260 Hektar Rebflächen.
Übernachtungstipp: Berghotel Jochgrimm – ein alpines Wellness Berghotel mit schöner Saunalandschaft und einer traumhaften Lage, um nach Herzenslust wandern zu gehen.
Tipp: Gewürztraminer liegt im Trend! Ein klarer Beweis für das steigende Interesse an der Sorte ist die wachsende Anbaufläche. So lag diese im Jahr 2000 in Südtirol bei rund 200 ha. Bis zum Jahr 2020 stieg diese Fläche auf 590 ha an. Das entspricht ca. 11 % der gesamten Rebfläche Südtirols.
Epokale Vertikale – Ein Wein findet seinen Weg
Am 20. Juni 2022 war es so weit. Die erste Vertikalverkostung zum Epokale-Wein wurde eingeläutet. Niemals zuvor gab es eine offizielle Vertikale, also eine Verkostung in der ausschließlich Epokale in verschiedenen Jahrgangstiefen verkosten wurden. Alessandro Torcoli, der Herausgeber und Chefredakteur des italienischen Magazins Civiltà del bere, moderierte die Veranstaltung und erklärte, dass nun die Gelegenheit gekommen sei, das Alterungspotential und die Identität des Gewürztraminers zu erforschen. Punkte vergebe ich für die Verkostung nicht. Wo soll man bei einem 100 Punkte Wein auch ansetzen? Vielmehr versuche ich die Weine so zu beschreiben, dass ein umfassender Gesamteindruck entstehen kann.
1. Epokale 2009
In einem leuchtenden und intensiven Goldgelb strahlt der Tropfen aus dem Weinglas. Es duftet intensiv nach reifer Mango, Honig, getrockneten Orangenschalen, Rose und Holunder.
Reichhaltig, geschmeidig und mit einer satten Frucht präsentiert sich der Wein süß, aber von der Säure wunderbar getragen. Kein Zeichen von Müdigkeit. Der Wein wirkt lebendig, strahlend und mit einem unglaublich langen Abgang.
2. Epokale 2010
Von 107 Gramm Restzucker geht es jetzt schlagartig runter auf 36 Gramm. Die barocke Macht aus dem Vorjahr verwandelt sich in eine kühlere, elegantere und feinere Ausdrucksform. Weniger Frucht, dafür mehr Würze und eine salzig-mineralische Verspieltheit. Auch wenn dieser Weinstil komplett anders ist als der des legendären Vorgängers, gefällt mir diese Spielart unglaublich gut.
3. Epokale 2011
Die dritte Auflage des Kultweins wurde als einziger Epokale nicht im Bergwerkstollen gelagert. Trotzdem haben wir es mit einem sensationellen Gewürztraminer zu tun. Im Vergleich zu den anderen Beiden etwas zurückhaltender und feingliedriger in der Nase. Etwas weniger würzig als 2010, dafür florale Noten nach weißen Blüten und Rosenduft. Dazu eine reife, gelbe Birne und etwas Fenchel im Hintergrund. Wunderbar ausbalanciert, elegant und wieder mit einem sehr langen Nachhall. Alles wird von einer mineralischen Note untermauert. Bisher der eleganteste Epokale.
Zwischenfazit: Bisher gefällt mir 2010 am besten. Er ist nicht so üppig wie 2009 und weniger zurückhaltend als 2011. Mir gefällt vor allem die wilde, würzige Seite, die den Traminer zum Gewürz-Traminer macht.
4. Epokale 2012
In der Moderation erklärt Alessandro Torcoli, dass diese Spätlese dem beliebten Nußbaumer am nächsten kommt und begründet dies damit, dass wir nun die Spätlese mit dem geringsten Restzuckeranteil im Verkostungsglas haben. Da auch die Säure im Vergleich zu den anderen Jahren etwas gesunken ist, haben wir dennoch ein schönes Spiel aus Süße und Säure. In der Nase finden wir deutliche florale Noten und kandierte-gelbfruchtige Anklänge wie Ananas und Orangenzeste. Der Abgang ist im Vergleich etwas kürzer als bei seinen Vorgängern, dennoch verfügt der Tropfen über eine gute Tiefe und einem schönen Schmelz.
5. Epokale 2013
Diesen Jahrgang fanden viele am besten, was ich sehr gut nachvollziehen kann. Auch ich reihe ihn hinter meinem bisherigen Favoriten 2010 nun auf den zweiten Platz. Grund dafür ist die Beschwingtheit und der unglaubliche Trinkfluss, den dieser Wein auslöst. Ein Meer aus Rosenblüten, dazu Noten nach Mango und einer Spur Ingwer. Strahlend und frisch, dabei nicht zu üppig, sondern wundervoll ausbalanciert und mit einem langen und konzentrierten Abgang.
6. Epokale 2015
Der jüngste Epokale zeigt sich noch etwas zurückhaltend in der Nase, lässt aber keinen Zweifel daran, dass er über enormes Potential verfügt. Fruchtige Noten nach Melone und Apfel gliedern sich in würzige und florale Anklänge aus Rosenblüten und Pfeffer ein. Insgesamt etwas konzentrierter und reichhaltiger als 2013. Viel Druck am Gaumen, enorme Länge und eine perfekte Balance. Großartiges Reifepotential und eine vielversprechende Zukunft.
Tipp: 2014 ist bisher noch nicht erschienen, da er noch mehr Zeit zum Reifen braucht, wie Kellermeister Willi Stürz verständlich erklärt. Gut Ding will eben Weile haben.
Tipp: Der Gewürztraminer ist das Spiegelbild der Region rund um Tramin und wird dementsprechend leidenschaftlich behandelt. Die Kellerei hat es sich zur Mission gemacht der Rebsorte zum höchsten Potential zu verhelfen und vinifiziert deshalb gleich vier verschiedene Spielarten des Traminers, um seiner Vielseitigkeit gerecht zu werden. Die Reben wurzeln in verschiedenen Zonen und Höhen rund um die Kellerei und sind deshalb in ganz unterschiedlichen Mikroklimazonen beheimatet. Das demonstrieren eindrucksvoll die ausdrucksstarken Weine Selida, Nussbaumer und Terminum. Einige der höchstbewerteten Weißweine Italiens.
Fazit – Der Epokale ist angekommen
Es hat ein paar Jahre gedauert, bis sich der Epokale dort eingependelt hat, wo er heute steht. Die Kunst besteht darin einen konzentrierten und intensiven Wein zu erzeugen, der Genuss und Lebensfreude vermittelt, ohne dabei zu üppig zu sein. Aus der Horizontalen in die Vertikale. Weniger breit, dafür unendlich tief und mineralisch. Dazu die so wundervollen und typischen Noten nach Litschi, Rosenblüten und exotischen Früchten.
Der Kellerei Tramin ist es gelungen einen Weg zu finden, der von Beginn an mit einem großen Knall und der höchsten Auszeichnung begann. Das ist fantastisch, aber gleichzeitig herrschte eine enorme Erwartungshaltung und der Druck den Erfolg zu wiederholen war omnipräsent. Meine Hochachtung dafür, dass man es gewagt hat verschiedenen Dinge auszuprobieren und sich nicht darauf versteift hat den Erfolg von damals auf Biegen und Brechen zu wiederholen. Dadurch ist etwas völlig Natürliches und Eigenständiges entstanden, das mit Fug und Recht zu den Aushängeschildern des italienischen Weins zählt.