Wenn du vor dem Weinregal deines Lieblingsgeschäfts stehst, fragst du dich vielleicht: Wie kann ich denn jetzt sicher gehen, ob dieser Wein gut ist? In die Flasche hineinschauen oder einen Probeschluck nehmen geht gerade nicht und die Katze im Sack zu kaufen ist auch nicht so geil. Irgendwie scheinen alle in gewisser Weise gleich auszusehen – und doch sind sie es nicht. Fakt ist, ein Wein kann von außen betrachtet werden, doch sein wahres Wesen bleibt verborgen, bis er probiert wird.

Da hilft nur Korken raus und einschenken, denn probieren geht über studieren. Allein vom Anschauen des Etiketts wirst du auch nicht schlauer und ein schön gemachtes Weinetikett mag zwar ganz nett aussehen, über die Qualität des Weins sagt es aber nichts aus. Zumindest nicht auf den ersten Blick Prädikate, VDP Siegel, Weinbauregionen etc. können zwar schon einiges über die Qualität eines Wein verraten, aber in diesem Artikel geht es darum was überhaupt einen guten Wein auszeichnet. Wann schmeckt ein Wein und wann schmeckt er nicht? Über welche Kriterien können wir uns möglichst objektiv unterhalten, um einen gemeinsamen Nenner für Diskussionen zu schaffen?

ist wein vegan?

Vielleicht wirst du irgendwann in die Situation kommen, dass in einer kleinen gemütlichen Runde ein sogenannter „Wein-Experte“ erklärt, wie gut ein Wein ist, bevor überhaupt jemand einen Schluck probiert hat. Ich habe schon oft an solchen Runden teilgenommen. Da werden dann die dunkle Farbe und die dicken Kirschfenster ins Feld geführt, die herrliche Nase gepriesen und der Wein vorzeitig aufs Podest gehoben. Immerhin muss der Wein aufgrund der vielen optischen Merkmale gut sein. Oder nicht? Wenn er dann probiert wird, verfliegt die Euphorie ebenso schnell, wie sie aufgekommen ist, da all diese Faktoren nichts über die eigentliche Qualität eines Weins aussagen. Was zurückbleibt sind fragende Blicke und Schweigen, da man sich nicht traut, etwas darauf zu sagen, weil man nicht an die eigenen Fähigkeiten glaubt und denkt, dass die eigene Meinung sowieso nichts wert ist, weil ja der Experte schon seit Jahrzehnten Wein verkostet und bewertet.

Auf meiner eigenen Weinreise habe ich schon oft Bordeaux-Weine von unvergesslicher Qualität probiert, die aber unglaublich nach Pferdestall gestunken haben – ein häufiges Phänomen bei voll ausgereiften Bordeaux-Tropfen. Niemand würde dabei auf die Idee kommen zu sagen, dass das ein schlechter Wein ist. Oder beim Riesling. Petrol von der Tankstelle. Die einen lieben es – wie ich – und die anderen hassen es. Was sagt das jetzt über den Wein aus?

Ist er jetzt gut? Zudem bin ich auf Weine gestoßen, die unglaublich verführerisch in der Nase waren, jedoch am Gaumen zu einer enttäuschend flachen Brühe wurden. Die tiefe Farbe einfacher Tropfen hat mich manchmal geblendet. Ja, ich nehme mich da nicht aus. Was ich dann erlebt habe, waren Weine, die träge aus der Flasche ins Glas flossen und am Gaumen dafür sorgten, dass ich dachte: „Was ist denn das?“

Äußere Eigenschaften wie Farbe, Viskosität und Duft sind definitiv wichtig, um offensichtliche Fehler zu erkennen. Wenn der Wein trüb ist oder nach modrigem alten Keller riecht, dann hat sich wahrscheinlich ein Korkfehler eingeschlichen. Aber diese Merkmale allein sagen nichts über die wahre Qualität eines Weins aus.

Daher möchte ich nun die drei wichtigsten Faktoren mit dir teilen, die dir wirklich dabei helfen können, einen guten Wein zu erkennen. Der erste Faktor ist die Balance…

Valtènesi

1. Die Kunst der Balance: Was einen guten Wein wirklich ausmacht

Ich möchte mit der Balance anfangen. Meiner Meinung nach sollte ein guter Wein ausgewogen sein, wie ein Artist auf dem Hochseil, der mit beeindruckender Leichtigkeit seine Balance hält und die Zuschauer in Staunen versetzt.

Das bedeutet, dass alle seine einzelnen Komponenten – wie Frucht, Säure, Restzucker, Alkohol und Tannine – in Harmonie zueinander stehen. Keine der Eigenschaften sollte dominieren oder besonders hervorstechen. Vielmehr geht es darum, dass sie ein gemeinsames und rundes Geschmackserlebnis schaffen. Wenn du also beim nächsten Mal ein Glas Wein probierst, stell dir folgende Fragen: Harmoniert die Süße des Weines mit seiner Säure? Oder ist der Wein einfach nur pappig und klebrig? Passt der Alkoholgehalt zum restlichen Geschmack? Oder ist der Tropfen einfach nur brennend und viel zu alkoholisch? Sind die Tannine präsent, aber nicht übermächtig? Wie sind sie eingebunden? Sind sie grün oder spitz, oder fein, samtig und perfekt in Balance mit dem Rest des Weins? Ist die Antwort auf all diese Fragen „ja“, dann hast du wahrscheinlich einen guten Wein in der Hand.

Für den Winzer ist das Kreieren eines neuen Weins wie das Kochen eines Gerichts in der Küche. Stell dir vor, es ist Feierabend und du kochst eine leckere Suppe für deinen Partner. Du hast eine Auswahl von Zutaten zur Verfügung: Salz, Pfeffer, Kräuter, Gemüse, Fleisch und natürlich eine Zitrone oder Limette. Jedes dieser Zutaten spielt eine wichtige Rolle, und das harmonische Zusammenspiel zwischen ihnen ist entscheidend für den Geschmack des Gaumenschmauses.

Das Gleiche ist es beim Wein. Nur dass der Winzer zum Kreieren seines Weins keine Zitrone nimmt, sondern die natürliche Säure aus den Trauben.

Anstelle von Fleisch und cremigen Fettelementen hat der Winzer den Alkohol im Wein, der ähnlich wie das Fett im Essen als Geschmacksträger fungiert. Wie hoch der Alkohol am Ende des Tages ist, hängt von vielen Faktoren ab, wie dem Erntezeitpunkt oder wie warm das Jahr war.

Die Bitterstoffe im Gemüse könnten die Tannine im Wein repräsentieren, die, wenn sie gut eingebunden sind, die Textur und Struktur des Weins positiv beeinflussen. Die Tannine ergeben sich hauptsächlich aus der Rebsorte, aber auch das Barrique kann Gerbstoffe abgeben. Außerdem spielen hier noch weitere Faktoren wie der Lesezeitpunkt eine wichtige Rolle.

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Und schließlich haben wir in der Küche noch die vielfältigen Kräuter und Gewürze, die wir verwenden können. Für den Winzer wäre das wohl das eben schon erwähnte Barrique oder im eher negativen Fall Eichenholzchips, Reinzuchthefen oder andere kleine chemische Päckchen. Ich möchte hier nicht zu sehr ins Detail gehen und beurteilen, was gut oder schlecht ist. Ich möchte dir nur anhand dieser Metapher erklären, wie so etwas ablaufen kann.

Der Schlüssel zu einem gut ausbalancierten Wein – genauso wie zu einer köstlichen Suppe – ist das richtige Verhältnis und die Harmonie zwischen all diesen Komponenten. Ein Wein mit zu viel Säure schmeckt genauso wenig wie eine zu saure Suppe. Andererseits würde ein Wein mit zu wenig Säure, ähnlich wie eine fettige, aber fade Suppe, schwer und langweilig schmecken. Die Säure ist einfach das Rückgrat eines guten Weins. Eine perfekte Balance zu erreichen ist die wahre Kunst des Winzers, und das Erkennen dieser Balance ist der Schlüssel zum Verständnis, was einen guten Wein ausmacht.

Christian Stahl
Woran erkennt man einen guten Wein?

2. Die Komplexität – was mich wirklich begeistert

Wir sind noch nicht fertig. Ein wirklich guter Wein ist mehr als nur harmonisch und ausgewogen, er ist auch komplex und hat einen gewissen Tiefgang. Ein komplexer Wein ist wie eine spannende Geschichte – er hat Tiefe und unerwartete Wendungen, die dich immer wieder fesseln und tiefer ins Glas blicken lassen. Achtung, gefährlich! 😄

Es kann sein, dass er sich erst nach Stunden im Glas richtig öffnet und entwickelt und dabei verschiedene Aromen und Geschmacksnuancen zeigt, die sich mit der Zeit immer weiter verändern und entfalten. Bei jedem Schluck entdeckst du neue Ebenen und Aspekte, und das macht das Trinken zu einem wahren Erlebnis. Aufhören wird da tatsächlich schwierig. 😉

Komplexität kann sich auf so viele verschiedene Weisen zeigen, sei es durch eine breite Vielfalt an Aromen oder durch eine interessante Entwicklung des Geschmacks vom ersten bis zum letzten Schluck. Ein komplexer Wein wird niemals langweilig, sondern bleibt von Anfang bis Ende spannend. Das sind genau die Weine, die ich suche und die mich begeistern. Wie ist das bei dir? Schreib es gerne in die Kommentare.

ABER: Das heißt nicht, dass ein einfacher Wein automatisch schlecht ist. Und auch nicht alle Premiumweine sind komplex. Hier müssen wir wieder differenzieren. Denn manchmal ist es gerade die Reinheit und Geradlinigkeit, die mich bei einem Wein fasziniert. Der Klare Ausdruck, der einen Wein großartig macht. Wenn dann zu viele Eichennoten oder tertiäre Aromen mit dazu kommen, dann kann sich das in der gesamten Balance des Weins sogar schon wieder negativ auswirken.

3. Die Bedeutung eines langen Abgangs im Wein

Last but not least – Der dritte wichtige Faktor: der Abgang. Ich persönlich finde, dass gute Weine einen langen und angenehmen Abgang haben. Nach dem Schluck bleibt eine Erinnerung an den Tropfen zurück. Du kannst zählen, wie lange der Geschmack des Weines noch schmeckbar ist, nachdem du ihn getrunken hast. Ein langer Abgang ist nicht nur angenehm, sondern zeigt auch die Qualität des Weins. Ein Wein mit einem kurzen Abgang kann ganz nett sein, aber er hinterlässt keinen bleibenden Eindruck. Nach einem Schluck hat man ihn schon wieder vergessen. Ein Wein mit einem langen Abgang hingegen bleibt im Gedächtnis und macht Lust auf den nächsten Schluck. Das sind die Weine, an die man sich später erinnert.

Ein langer Abgang ermöglicht es außerdem dem Wein, sich weiter zu entfalten. Manchmal kommen erst nach dem Schlucken Aromen, die man zuvor nicht wahrgenommen hat und erst retronasal ins Bewusstsein treten. Das ist dann richtig abgefahren.

Die Schlüsselfaktoren eines guten Weins: Balance, Komplexität und langer Abgang

Ich fasse also zusammen. Meiner Meinung nach sind die Balance, die Komplexität und der lange Abgang die drei Schlüsselfaktoren, die einen guten Wein ausmachen. Ich betone hier noch einmal, dass es meine Meinung ist, die sich in über 20 Jahren Weingenuss manifestiert hat. Übrigens wird Ähnliches auch im WSET unterrichtet. Sei dir aber bitte bewusst, dass das erst der Anfang ist.

Wie ich immer sage: Die Weinwelt ist riesig groß und voller Überraschungen. Es gibt noch so viel zu entdecken und zu lernen. Aber mit diesen drei Faktoren im Hinterkopf hast du einen soliden Bauplan, um deinen Weinsinn zu schärfen und zu verfeinern.

Und am Ende ist der beste Wein der, den du am liebsten trinkst. Cheers!


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