Als ich vor 15 Jahren angefangen habe mich bewusst mit Wein zu beschäftigen und versucht habe Weinaromen zu erkennen, gab es immer wieder diese magischen Momente.

Kurze Augenblicke in denen es mir gelang trotz aller Aromenvielfalt, Komplexität und Fülle, einzelne Duftnoten genau zu identifizieren und zu beschreiben. Besonders am Anfang erfordert es viel Übung und Geduld, um spezifische Nuancen zu erkennen und bewusst einer Assoziation zuzuordnen.

Weinaromen bewusst erkennen

Vielleicht kennst du das oder du stehst selbst noch am Anfang und versucht aus der unsichtbaren, kaum greifbaren Duftwolke schlau zu werden. Diese Duftwolke kann dich zu Beginn überwältigen. Du kannst sie nicht sehen, nicht fühlen und nicht hören. Du bist komplett auf deinen Geruchssinn angewiesen.

Die Nase ist eines jener Sinnesorgane, die in unserer schnelllebigen Zeit kaum noch bewusst genutzt wird. Die wenigsten von uns benötigen sie für den Beruf. Auch im Alltag brauchen wir die Nase nicht, um alltägliches zu erledigen.

Nachrichten werden hektisch mit den Augen gelesen, Essen wird zwischen zwei Geschäftsterminen hastig im Imbiss um die Ecke verschlungen und Musik wird extrem komprimiert mit Hilfe zweier Ohrstöpsel in der U-Bahn gehört.

All das sind Dinge, die wir regelmäßig wiederholen. Routinen, die zur Gewohnheit geworden sind. Wir nehmen sie kaum noch bewusst wahr und sehen alles als selbstverständlich an. Aber was tun wir eigentlich mit unserer Nase? Wer nutzt heutzutage das Riechorgan, um bewusst Informationen aus seiner Umwelt zu gewinnen? Wenige.

Wenn man bedenkt, dass wir mit jedem Atemzug ca. 20.000 mal am Tag riechen erscheint dieser Umstand geradezu paradox! Wer Wein wirklich verstehen will, sollte damit beginnen Gerüche bewusst wahrzunehmen und diese im Kopf abzuspeichern. Nimm dir die Zeit für einen ausgiebigen Waldspaziergang und nimm wahr, wie der Waldboden duftet. Ist es Herbst oder Frühling, hat es gerade geregnet oder ist es trocken? Welche Blumen, Sträucher oder Bäume blühen gerade? All diese Dinge können wir riechen.

Weinaromen erkennen

Es ist ähnlich wie mit dem Sprechen. Erst wenn wir uns einen ausreichenden Wortschatz angeeignet haben, können wir anfangen etwas zu sagen. Wenn wir reden können, sind wir in der Lage Wahrnehmungen und Bedürfnisse in Worte auszudrücken. Wenn du zum Beispiel im Frühsommer an einem Holunderbusch vorbeigehst kannst du sagen: „es duftet nach Holunderblüten!“ Wenn du dir dessen bewusst wirst, verknüpft dein Gehirn automatisch den Geruch mit der Situation und dem blühenden Holunderbusch. Entdecke neue Düfte und trainiere dir dadurch, statt eines Wortschatzes einen Riechschatz an.

Weinaromen erkennen: Lege dir einen Riechschatz zu

Auf diesen Riechschatz kannst du dann jederzeit zurückgreifen und Assoziationen zu Molekülverbindungen bilden, die du im Wein riechen kannst. Fange an dir einen gewaltigen Riechschatz aufzubauen, indem du stets alle Düfte in deiner Umgebung bewusst wahrnimmst und mit der gegenwärtigen Situation verknüpfst.

Es gibt unzählige Gerüche, die du in dein Weinvokabular integrieren kannst. Mit der Zunge können wir nur unterscheiden, ob etwas süß, sauer, salzig oder bitter schmeckt. Selbst wenn wir Umami noch mit dazuzählen, kommen wir auf lediglich fünf Geschmacksrichtungen. Gerüche aber sind viel mehr als das.

Sie können Emotionen wecken, unsere Aufmerksamkeit und Fantasie beflügeln, Angstzustände auslösen und Appetit verursachen. Da diese Gerüche immer zuerst im limbischen System unseres Gehirns wahrgenommen werden, erfolgt die erste Reaktion immer unbewusst. Dadurch sind wir in der Lage extrem schnell auf Gefahrensituationen zu reagieren oder Emotionen zu erleben. Dabei koppeln wir die Gerüche immer sehr eng mit der jeweiligen Situation, sodass wir uns Düfte nicht losgelöst merken und abspeichern können. Dafür sind wir aber in der Lage uns schnell an bestimmte Situationen aus unserer Kindheit zu erinnern, wenn uns der Duft wieder begegnet. Deshalb hören wir auf Weinverkostungen immer wieder Sätze wie: „Dieser Wein riecht wie ein Sommermorgen auf dem Hof meiner Großeltern !“

Weinaromen erkennen
Gerade zu Beginn kann einen die Komplexität hochwertiger Weine schier überwältigen. Umso wichtiger ist es sich Zeit und Ruhe zum Verkosten zu nehmen. Viel Übung, achtsames schmecken und riechen und Geduld sind die Grundsäulen dafür ein guter Verkoster zu werden.

Deine geschmacklichen Vorlieben sind subjektiv

Da aber niemand außer dir den Geruch deiner vergangenen Erfahrungen kennt, ist es wichtig eine Weinsprache anzuwenden, um den Wein für den Rest der Menschheit nachvollziehbar zu beschreiben. Dazu werden die Weinaromen und Geschmacksausprägungen in Gruppen unterteilt, um eine genaue Beschreibung zu ermöglichen. Diese sind beispielsweise fruchtig, floral, würzig, pflanzlich oder animalisch. Du kannst diese Gruppen wie eine Art Checkliste nach und nach in deinem Kopf durchgehen und abhaken. Wenn du z.B. den Eindruck hast alle Fruchtaromen erkannt zu haben, riechst du weiter in das Glas hinein und suchst bewusst nach blumigen oder würzigen Noten.

Einige Aromen werden dir schmecken, andere nicht. Wenn du Birnen nicht ausstehen kannst, wirst du einen Wein der nach Birne schmeckt auch nicht mögen. Das ist menschlich und völlig in Ordnung! Die Geschmäcker sind eben verschieden! Was weniger in Ordnung ist, ist den Wein grundsätzlich als schlecht abzustempeln, wenn er ein Aroma enthält, das dir nicht schmeckt. Versuche den Wein also nicht nach deinem eigenen Gusto zu bewerten, sondern bleibe Objektiv.

Als Weinversteher sollte es dein Ziel sein einen Wein zu beschreiben, damit andere, die den Wein noch nicht probiert haben, sich etwas darunter vorstellen können.

Nimm also Aromen einfach wahr und urteile nicht darüber, ob dir diese schmecken oder nicht. Schreibe einfach auf:

  • floral: z.B. Rosenblüten, Holunder, Veilchen
  • fruchtig: Zitrone, Aprikose, Aprikose, Apfel
  • pflanzlich: Kohl, Oliven, Gras, Spargel
  • Eiche: Vanille, Rauch, Zedernholz

Du musst auch keine Aussage über die Qualität des Weins treffen. Als Anfänger genügt es völlig Aromen zu erkennen und subjektiv zu entscheiden, ob dir der Wein schmeckt oder nicht. Wenn du dennoch voll motiviert bist und gerne lernen möchtest Wein genau zu beurteilen, empfehle ich dir meine gratis e-Book. Du lernst darin wie du Wein Schritt für Schritt genau beschreiben kannst, um diesen zu bewerten. Klicke hier: gratis e-Book erhalten

Wenn du schon etwas geübter im Erkennen von Weinaromen bist, wirst du auf Noten treffen, die sich von den normalen Düften unterscheiden. Im Gegensatz zu Aromen wie Apfel oder Erdbeeren, welche in der Regel fast jedem schmecken, trennt sich bei diesen Exoten langsam die Spreu vom Weizen. Um dich nicht länger auf die Folter zu spannen, erfährst du nun welche 5 erstaunlichen Weinaromen man entweder hasst oder liebt.

Wichtig: Ich werde im Folgenden nicht darüber urteilen, ob die Aromen als Weinfehler zu deklarieren sind oder nicht. Außerdem gebe ich keine Auskunft darüber, ob ich die Aromen mag oder nicht. Ich möchte dir lediglich zeigen was es für spannende Aromen gibt und dich mit etwas Hintergrundwissen zur Ursache und Entstehung versorgen.

Weinaromen erkennen

5 Weinaromen, die man entweder hasst oder liebt

Marmeladig

Viele von uns schmieren sich hin und wieder ein dickes Marmeladenbrot und verspeisen dieses genüsslich zum Frühstück. Der süße, fruchtige Geschmack schmeckt uns und bietet eine breite Vielfalt an unterschiedlichen Sorten. Wenn die Frucht eines Weins ins Marmeladige oder Kompotartige geht, liegt das oftmals am sehr reifen Traubenmaterial. Die Weine wirken dann sehr dicht, körperreich, konzentriert und bereits in der Nase lässt sich die überreife Frucht erkennen. Unabhängig davon, ob dir diese Weine schmecken, sind sie doch das Resultat einer zu späten Lese und anderer Faktoren, die dem Wein eine zu extreme Fruchtnote verleihen. Da derartige Rotweine recht zugänglich und meist ohne jegliche Ecken und Kanten sind, werden sie häufig von Weinanfängern gerne getrunken.

Katzenpipi

Katzenpisse, Katzenurin oder Katzenpipi. Klingt alles nicht sehr elegant, ist aber eine gängige Geruchsassoziation, die häufig bei Sauvignon Blanc zutreffend ist. Grund dafür ist ein Molekül namens 4MMP, welches bei geringer bis mittlerer Intensität nach Stachelbeere oder Johannisbeere riecht. Bei starker Intensität jedoch an Katzenpipi erinnert. Love it or hate it!

Durchgerittener Pferdesattel

Wenn es aus dem Weinglas nach Stall, Pferdeschweiß oder gar durchgerittenem Pferdesattel duftet, sprechen wir von animalischen Noten. Sie entwickeln sich oftmals mit zunehmender Reife und können sogar an einen nassen Hund erinnern! Grund für den Geruch sind Hefen der Sorte Brettanomyces bruxellensis.

Petrol

Es kommt vor, dass du beim Verkosten von Wein automatisch an eine Tankstelle denken musst. Gereifte Rieslinge können diese Assoziation auslösen, denn sie können eine Petrolnote entwickeln, die an Kerosin, Benzin oder Petroleum erinnert. Die Ursache für dieses Bouquet ist ein spezieller Stoff, der als TDN bekannt ist (Norisooprenoid 1,16-Trimethyl-1,2-Dihydronaphthalen). Geringe Mengen davon können einem Riesling eine spannende Dimension verleihen. Je mehr der Wein allerdings nach Benzin riecht, desto mehr wird er auch polarisieren.

Eisbonbon

Auch das Eisbonbon ist eine wichtige Vokabel in der Weinsprache. Du kannst dir darunter einen Geschmack nach Bonbons, z.B. Wick Blau Hustenbonbons, vorstellen. Dieser Ton entsteht als Ursache einer besonders kühlen Gärung. Anstatt also die Frucht im Wein zu betonen, wurde ein Eisbonbon-Aroma erzeugt. Ob dir dieser Ton schmeckt oder nicht, kannst nur du entscheiden. So ist es mit allen Weinaromen.

Bevor wir das Thema abhaken gebe ich dir noch etwas Basiswissen mit an die Hand.

Welche Aromen gibt es im Wein?

  1. Primäraromen: Die kommen von den Trauben selbst und geben dem Wein seinen einzigartigen Geschmack. Primäraromen sind die ersten Aromen, die im Wein entstehen. Daher dominieren sie das Aroma junger Weine viel stärker als das von gereiften Weinen. Denk an Früchte wie Zitrus, Beeren, tropische Früchte oder Kräuter wie Minze, Basilikum. Florale Aromen wie Rosen und mineralische Noten wie Stein sind auch dabei.
  2. Sekundäraromen: Hierbei handelt es sich um Aromen, die im Weinkeller entstehen, vor allem während der Gärung. Aber auch Einflüsse des Ausbaus im Keller, wie Hefelager oder Barrique-Reifung, gehören dazu. Hier findest du Noten wie Brotkruste, Butter, Vanille und Hefenoten wie Brot oder Toast.
  3. Tertiäraromen: Sie sind das Schlusslicht in der Geschmackschronologie, denn sie bilden sich erst nachdem der Wein in die Flasche gefüllt wurde. Deshalb nennt man sie oft auch Reifearomen. Sie entstehen hauptsächlich durch Oxidation, wenn sich die Inhaltsstoffe des Weins mit Sauerstoff verbinden. Du findest hier typische Tertiäraromen wie Firne, Petrol, Sherry-Noten bei Weißweinen und Portwein-Noten bei Rotweinen. Und auch Dörrobst, Waldboden oder Pilzaromen gehören dazu, vor allem bei gereiften Rotweinen.

Die Intensität und das Zusammenspiel dieser Aromen hängen von Rebsorte, Anbauregion, Herstellungsverfahren und Lagerung ab. Und das macht Wein so interessant und vielfältig.


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  1. Seit einiger Zeit beschäftige ich mit diesem Thema. Wie kann ich Wein beschreiben? Was ist das für ein Aroma? Kann ich das lernen?
    Der Artikel mach Spaß auf mehr Weinwissen und neugierig auf die Reaktionen und Lernfähigkeiten der eigenen “Riechorgane”.
    Liebe Grüße
    Henri

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